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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Nun, Wiles war besser. Das ist alles.«
    Larissa war fassungslos. Sie schüttelte den Kopf und lachte aus vollem Halse. »Das glaube ich einfach nicht!«
    Anděl sah sie ratlos an. »Was glauben Sie nicht?«
    »Nun, Ihr Talent muss beträchtlich gewesen sein, wenn Sie sich allen Ernstes Fermats letzten Satz vorgenommen haben! Mein Mathelehrer hat uns in der zwölften Klasse auch davon erzählt, und das Problem und die ganze Geschichte haben mich fasziniert – aber Mathe und ich, nun, wir standen leider eher auf Kriegsfuß. Ich hätte nie im Leben daran gedacht, so ein Problem in Angriff zu nehmen. Ich hatte es ganz vergessen, aber als ich dann las, wie Wiles in Oxford seinen dreitägigen Beweis geführt hat, ohne jemandem vorher etwas verraten zu haben – oh, Mann, da habe ich wirklich geheult vor Freude und Rührung.« Sie schüttelte wieder den Kopf und lachte. »Und nun stehe ich hier in Prag und unterhalte mich mit einem Kriminalbeamten, der tatsächlich einmal angetreten ist, Fermats letzten Satz zu beweisen! Wow!«
    Anděl betrachtete ihren Gefühlsausbruch mit einem ironischen Grinsen.
    »Oh, keine Sorge!«, rief Larissa amüsiert, als sie seine hochgezogene Braue sah. »Ich bin keine Autogrammjägerin. Ich fand die Sache einfach nur wahnsinnig spannend, wissen Sie. So wie andere – na, vielleicht die Suche nach dem Grab des Osiris oder so was Ausgefallenes. Ich habe mich einfach sehr für Wiles gefreut.« Ihr Lächeln wich einer skeptischen Miene. »Sie haben sich vermutlich nicht sehr für ihn gefreut, nicht wahr?«
    Anděl wurde ernst. »Ehrlich? Nein – und auch wieder ja. Vermutlich hätte ich das Problem nie gelöst. Ich habe es ihm gegönnt, er hat immerhin viele Jahre seines Lebens reingesteckt. Was für eine Leistung, ein Problem zu lösen, an dem sich seit bald dreihundertfünfzig Jahren die größten Mathematiker der Welt die Zähne ausgebissen haben! Selbst der alte Gauß ist gescheitert. Das immerhin war eine gewisse Befriedigung, dass auch weit größere Mathematiker als ich diese Nuss nicht geknackt haben.«
    »Und deshalb haben Sie die Mathematik an den Nagel gehängt?«, fragte Larissa ungläubig.
    »Ich habe im Grunde nur wegen dieses Problems Mathematik studiert. Und dann war es auf einmal gelöst. Ich hatte meine Dissertation über Teilprobleme des Fermatschen Satzes geschrieben. Und dann hat Wiles ihn bewiesen. Es gab nichts mehr zu tun. Ehrlich gesagt, war ich damals ziemlich frustriert. Ich habe meine Sachen gepackt, meinen Vertrag nicht verlängert und bin nach Hause gefahren. Eine kindische Einstellung, aber so war es nun einmal.« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich bin nach Prag zurückgekehrt und bekam einen Teilzeitvertrag an der Uni. Und dann habe ich Otakar Nebeský wiedergetroffen. Wir haben vor Urzeiten zusammen Abitur gemacht. Er war inzwischen bei der Kriminalpolizei. Ich habe mich beworben – und sie haben mich genommen. Wie damals fast jeden Hochschulabsolventen, der freiwillig dahin wollte.« Er machte eine ausladende Geste mit den Armen. »Und da bin ich nun. Kapitán David Anděl, Kommissar bei der Prager Mordparta . Aber es macht Spaß. Ab und zu braucht man auch hier logisches Denken. Und außerdem gebe ich immer noch hin und wieder Seminare an der Uni.« Er grinste. »Um nicht aus der Übung zu kommen. Wissen Sie, die Primzahlen sind auch ungeheuer faszinierend.«
    »Irre.« Mehr fiel Larissa nicht ein. Stattdessen verlor sie sich in Überlegungen, die die Leiche aus der Metro betrafen. Würde man hier mit mathematischen Formeln weiterkommen, oder wäre hier eine ganz andere Art von analytischer Vorgehensweise gefragt? Von gründlicher Recherche, weiblicher Intuition und journalistischer Kombinationsgabe?
    »… Sie die Finger davon«, hörte Larissa Anděl sagen, als sie sich endlich von ihren Gedanken losriss.
    »Entschuldigen Sie bitte, ich war ganz woanders. Was haben Sie gesagt?«
    Anděl lachte. »Ja, das habe ich gemerkt. Ich wollte auf unser ursprüngliches Thema zurückkommen. Hören Sie«, fuhr er ernst fort, »Sie haben einen perfekten Mord auf die Titelseite gebracht, und da draußen läuft ein erfolgreicher Mörder frei herum. Wenn Sie in diesem Stil weitermachen, könnten Sie in ein Hornissennest stechen.«
    »Das ist doch alles wahrscheinlich gut dreißig Jahre her. Der Mörder ist wahrscheinlich längst so tot wie sein Opfer.« Larissa lachte nervös. Sie glaubte das selbst nicht so recht.
    »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.

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