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"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sontheimer
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Vernehmer der Stasi ausführlich auf. Laut Vernehmungsprotokoll beabsichtigte die Gruppe, »einen Anschlag gegen das Hauptquartier der US-Besatzungstruppen in der Clayallee und zwar Sprengstoffanschläge gegen dort stationierte Panzer zu unternehmen«. Man sei im Fatah-Lager »in der selbständigen Herstellung von Spreng- und Brandsätzen unterrichtet worden«. Ein Brandsatz solle im Büro der US-Fluggesellschaft Pan Am gelegt werden, da sich dort ein »getarntes Büro der CIA befindet«. Es sei zudem geplant, die Gruppe auf »50 bis 100 Personen zu verstärken«, Polizei und Justiz »zu demoralisieren« und das Volk »durch Schockwirkungen aufzurütteln«. 1

    Kaum in Aktion getreten, hatten sich die Gründer der RAF schon in der Schattenwelt der Geheimdienste verstrickt, aus der sie nie mehr völlig entkommen sollte. Besonders die Stasi, die exzellente Verbindungen zu arabischen Geheimdiensten und den Palästinensern hatte, war über lange Phasen bestens über die Gruppe informiert. Mielkes Männer wussten oft, wo sich die RAF-Kader versteckten, während die bundesdeutschen Terrorfahnder im Dunklen tappten.

    Nachdem die Stasi-Offiziere Bäcker 24 Stunden lang verhört hatten, brachten sie ihn zum Bahnhof Friedrichstraße und schoben ihn durch eine Geheimtür auf einen Bahnsteig, der ansonsten nur von West-Berlin aus zu erreichen war. Zu seinem Ärger hatten die Stasi-Männer ihm die Pistole, die er in Amman gekauft hatte, und 25 Schuss Munition nicht zurückgegeben.

    Die RAF-Gründer hatten fast alle in Jordanien spanische »Llama-Especial«-Pistolen des Kalibers 9 mm erworben und von den Fatah-Genossen passende Munition geschenkt bekommen. Sie zerlegten die Waffen in ihre Einzelteile und schmuggelten sie über die Hauptstadt der DDR nach West-Berlin. Probleme an der Grenze bekam nur Bäcker.

    Nur einen Monat aktiv, hatte die RAF schon ihre wichtigste strategische Allianz geschlossen, die mit palästinensischen Terrorgruppen. In den folgenden Jahren konnten RAF-Kader immer wieder im Nahen Osten untertauchen und trainieren. Ohne diese Unterstützung hätte die RAF nicht so lange existieren und sich immer wieder aufbauen können.

    Als die Gründergruppe sich im August 1970 wieder in West-Berlin gesammelt hatte, musste endlich ein Name her. Horst Mahler plädierte für »Geyers schwarzer Haufen«, in Anlehnung an Florian Geyer, einen Führer aus den Bauernkriegen des 16. Jahrhunderts. Das fanden die meisten absurd. Da sie sich als Kommunisten in der Tradition von Lenin verstanden, wurde schließlich Meinhofs und Ensslins Vorschlag angenommen: »Rote Armee«. Mit dem Zusatz »Fraktion« wollten die Rotarmisten klarmachen, dass die Gruppe der bewaffnete Arm einer noch aufzubauenden kommunistischen Partei sei. Dass die Abkürzung RAF die meisten älteren Deutschen an die Royal Air Force, an die Zerstörung von Dresden und den Bombenkrieg der Briten erinnerte, daran dachte niemand. Auch die Assoziation mit der sowjetischen Roten Armee, die als Besatzer keineswegs beliebt waren, störte keinen.

    Als Vorbilder dienten den RAF-Gründern weniger die Palästinenser als Guerilla-Gruppen aus Südamerika, die dort gegen korrupte Diktaturen kämpften. Besonders imponierte ihnen der brasilianische Revolutionär Carlos Marighella. »Das Minihandbuch des Stadtguerillero von Marighella war die Bibel der RAF«, erinnert ein Gründungsmitglied, »und ihr Laienprediger war Andreas Baader.« In der Anleitung heißt es: »Die Logistik des Stadtguerilleros, der bei null anfängt und zunächst über keine Stütze verfügt, kann mit der Formel ›MGWMS‹ beschrieben werden: Motorisierung, Geld, Waffen, Munition, Sprengstoff.«

    Für Motorisierung sorgten die RAF-Gründer auf zweierlei Weise. Zum einen mietete Horst Mahlers vormalige Referendarin Monika Berberich in Nordrhein-Westfalen unter falschem Namen acht Autos. Die Wagen wurden nach Berlin gebracht und mit gefälschten Nummernschildern ausgerüstet, vorzugsweise mit Dubletten von Autos gleichen Typs. Zum anderen wurden Wagen gestohlen, wobei zunächst Mercedes-Limousinen des Typs 220 oder 230 besonders beliebt waren.

    »Baader war ein Kind seiner Zeit«, sagt Astrid Proll. »Er liebte schnelle Autos.« Nicht nur Proll, sondern auch andere RAF-Leute bauten häufig Unfälle. Baader, der zeitlebens keinen Führerschein hatte, kam einmal mit einem Porsche bei Tempo 160 von der Autobahn ab und überschlug sich. Die Geschichte der ersten Generation der RAF trägt auch Züge eines

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