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"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sontheimer
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Roadmovies.

    Neben den Autos verfügte die RAF über vier konspirative Wohnungen in den West-Berliner Bezirken Wilmersdorf und Schöneberg, die unter falschem Namen gemietet wurden. Um die Miete zu bezahlen und das kostspielige Leben im Untergrund zu finanzieren, griff die Gruppe zu dem Mittel, das Marighella in seinem Handbuch als »Vorexamen, in dem die Technik der Revolution erlernt wird«, charakterisierte: dem Bankraub.

    Ende September 1970 trat die RAF in West-Berlin zu einer kollektiven Prüfung an. Innerhalb von zehn Minuten registrierte die Polizei Überfälle auf drei verschiedene Bankfilialen. In Anklageschriften und Urteilen hieß es später, dass die RAF die drei Überfälle zu verantworten hatte. In Wahrheit gingen nur zwei auf das Konto der RAF, einen beging die anarchistische Gruppe Bewegung 2. Juni. Der angebliche »Dreierschlag« der RAF ist einer von etlichen Justizirrtümern, der auch von den meisten RAF-Chronisten als historische Wahrheit übernommen wurde. 2

    Die Beute der RAF, die sich auf über 209 000 Mark summierte, nahm Gudrun Ensslin als Kassenwart der Gruppe in Verwahrung. Die Gruppenmitglieder hatten - Ordnung musste sein - bei ihr Listen mit ihren Ausgaben einzureichen. Ulrike Meinhof regte sich immer wieder auf, wenn »Revolutionsgeld« verschwendet wurde.

    Welch hohes Risiko die selbst ernannten Guerilleros eingingen, darüber dachten sie nicht nach. Sie waren jung, das Durchschnittsalter der Gruppe lag bei 27 Jahren. »Dass wir uns bis zu zwanzig Jahre Knast einhandeln konnten«, sagt eine von ihnen heute, »das haben wir verdrängt.« Dass sie unter Umständen den bewaffneten Kampf mit ihrem Leben bezahlen würden, darüber sprachen sie nicht.

    Am 8. Oktober 1970, nur neun Tage nach den Banküberfällen, erlitt die Gruppe ihren ersten herben Rückschlag. Ein anonymer Anrufer hatte einem Beamten der Politischen Polizei berichtet, dass Andreas Baader sich in einer Wohnung in der Knesebeckstraße 89, in Berlin-Charlottenburg, aufhalte. Nach kurzer Observation drangen Kripobeamte in die Wohnung ein und fanden auf dem Balkon eine junge Frau, die im Hosenbund eine Pistole stecken hatte. Sie wurde als Medizinstudentin Ingrid Schubert identifiziert. Im April 1971 verurteilte das Landgericht Berlin sie wegen der Befreiung von Baader und mehrerer Banküberfälle zu 13 Jahren Gefängnis; im November 1977 erhängte Schubert sich in der Münchner Haftanstalt Stadelheim.

    Im Oktober 1970 ging der Polizei nur zwanzig Minuten nach der Verhaftung von Schubert in der konspirativen Wohnung in der Knesebeckstraße ein Mann ins Netz. Die Kripobeamten zogen Horst Mahler eine durchgeladene Pistole aus der Gesäßtasche und eine Perücke vom Kopf. »Kompliment, meine Herren«, sagte der Anwalt, der in der Gruppe den Decknamen »James« trug. Es dauerte nicht lange, bis noch drei weitere Frauen in die Falle liefen. Die Schülerin Irene Goergens erklärte nach ihrer Festnahme einem Polizisten: »Ihr Pigs könnt zufrieden sein, dass ich nicht zum Schießen gekommen bin.«

    Nach nicht mal fünf Monaten des bewaffneten Kampfes hatte die RAF mit einem Schlag mehr als ein Viertel ihrer Mitglieder verloren, darunter den eigentlichen Gründer der Gruppe, Horst Mahler. Noch am selben Tag entdeckte die Polizei das Hauptquartier der Gruppe in Berlin-Schöneberg. Die Fenster des Unterschlupfs waren mit Alufolie zugeklebt, an den Wänden hingen Landkarten.

    Da der Boden in West-Berlin zu heiß geworden war, verlagerte die RAF ihr Aktionsgebiet nach Westdeutschland. Ulrike Meinhof, die aus ihrer Zeit als Journalistin über zahlreiche Kontakte in der ganzen Republik verfügte, oblag die Quartierbeschaffung. Sie und andere RAF-Genossen stiegen bei dem Psychologieprofessor Peter Brückner in Hannover ab, einem WDR-Redakteur in Köln, einer Psychologin in Frankfurt oder einem Pfarrer bei Oldenburg. Noch gab es alte Freunde, die - wenn auch oft widerwillig - Unterschlupf gewährten. Unter den Linksliberalen in Hamburg, die Ulrike Meinhof seit Langem kannten, wurde auf Partys mit wohligem Schaudern darüber spekuliert, was man tun würde, wenn sie eines Nachts vor der Türe stünde. Marion Gräfin Dönhoff, Herausgeberin der »Zeit«, soll dabei gesagt haben: »Ich würde ihr Geld geben und sie wegschicken.« 3

    Der Anspruch der RAF, ein Kollektiv gleichberechtigter Mitglieder zu sein, erwies sich schnell als irreal. Baader, Meinhof und Ensslin bildeten die Führungsgruppe. Der Unternehmersohn und Soziologe Jan-Carl

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