Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H Reichholf
Vom Netzwerk:
Vögel. Jungvögel, die nur Daunen tragen, können nicht fliegen. Das liegt jedoch nicht in erster Linie daran, dass sie noch jung sind, sondern an den zum Fliegen einfach ganz und gar untauglichen Daunenfedern. Das beweisen die Küken mancher Hühnervögel: Ihre winzigen Flügel tragen bereits beim Schlüpfen einfache Schwungfedern. Bei Gefahr rennen sie los und heben ab. Auch wenn ihre Flügel sie nur wenige Meter weit tragen, genügt das meistens, um dem Feind zu entkommen.
    Doch als Allererstes brauchen Küken Wärme. Die Mutter hudert sie, das heißt, sie nimmt sie unter ihre Flügel und wärmt und beschützt sie im Bauchgefieder. Die Daunen entfalten sich voll, wenn sie sich mit dem Bauchgefieder der Mutter gerieben haben. Erst dann wirken sie als Wärmeschutz. (Ganz ähnlich wie das Fell der Säugetiere. Federn und Haare stimmen im Hinblick auf die Erhaltung der Körperwärme durchaus überein.) Es sind ganz anders gebaute Federn, die, insofern sie weit genug gewachsen sind, das Abheben und den Flug ermöglichen. Haarartige Daunenfedern taugen dazu ebenso wenig wie Säugetierhaare. Fliegende Säugetiere, Fledermäuse und Flughunde, fliegen ja nicht etwa mit ihren Haaren, sondern mit Flughäuten zwischen den Fingern und dem Körper. Die Vögel aber fliegen mit besonderen Federn und noch viel besser als die Fledermäuse.
    Das Gefieder der Vögel lässt sich also grob unterteilen in Federn, die den Körper bedecken und warm halten, und solche, die als Schwungfedern an den Flügeln und Steuerfedern am Schwanz den Flug ermöglichen. Letztere machen der Zahl nach nur einen geringen Teil des Gefieders aus, zehn Prozent oder weniger, je nach Größe des Vogels. Ein Schwan hat etwa 25 000 Federn insgesamt. Wirft er in der Mauser, wie das bei Schwänen und Enten üblich ist, gleichzeitig die Arm- und Handschwingen sowie die Steuerfedern des Schwanzes ab, ist er flugunfähig, und es dauert gut drei Wochen, bis der Ersatz nachgewachsen ist. Von diesen 40 bis 50 Federn des Fluggefieders hängt die Flugfähigkeit ab. Allein aus diesem kleinen Anteil geht klar hervor, dass die Feder nicht entstand, um das Fliegen zu ermöglichen. Und auch wärmen konnten die Anfänge der Federentwicklung den Vogelkörper sicherlich noch nicht.
    Die Erklärung liegt anderswo: Bei vielen Vögeln schlüpfen die Jungen nackt aus dem Ei. Andere erblicken das Licht der Welt schon als voll befiederte Federbällchen. Erstere sind typische Nesthocker, die gewärmt und betreut werden, letztere Nestflüchter, die gleich oder sehr bald für sich selbst sorgen. Damit, so könnte man meinen, ist ganz klar, dass die Federchen der Wärmedämmung dienen. Warum schlüpfen aber dann nicht alle Vögel zumindest mit Daunen gefiedert aus den Eiern? Die Wärmedämmung sollte doch Nestflüchtern wie Nesthockern zugute kommen und den Nesthockern sogar noch viel mehr, weil sie sich kaum bewegen und daher nur wenig innere Wärme erzeugen.
    Und da kommen wir dem Kern der Evolution näher. Geben wir uns nicht mit oberflächlichen Erklärungen zufrieden und betrachten hingegen die innere Wärmeerzeugung, werden die Zusammenhänge klar und der Weg zur Vogelfeder nachvollziehbar. Wenn kleine Singvogeljunge als typische Nesthocker aus dem Ei schlüpfen, läuft ihr Stoffwechsel noch so langsam wie bei Reptilien. Ihre Eigenwärmeerzeugung ist gering. Erst mit dem Sprießen der Federchen setzt die innere Wärmefreisetzung ein. Jetzt wird der Jungvogel eigentlich erst zum Vogel. Nun reguliert er seine Körpertemperatur selbst. Sie steigt an bis über 40 Grad Celsius. Bei dieser hohen Temperatur verläuft die Entwicklung sehr schnell. Ein Jungvogel entwickelt sich weitaus rascher als ein Säugetierjunges vergleichbarer Körpergröße. Und der auf Hochtouren laufende Stoffwechsel ist auch nötig, um die Energie für den Flug zu liefern.
    Die Steigerung der Intensität des Stoffwechsels ist meiner Ansicht nach der entscheidende Schlüssel für diesen Zusammenhang zwischen der Federbildung und dem Stoffwechsel. Die Motortechnik liefert uns dazu ein gutes Vergleichsmodell. Je höher die Drehzahlen und je besser die Leistung, umso sauberer und leichter verbrennbar muss der Kraftstoff sein.
    Eiweiß ist im Körper kein guter Brennstoff. Muss der Stoffwechsel Proteine verarbeiten, die nicht zum Aufbau von körpereigener Substanz taugen, entstehen problematische Abfälle. Mit den Stickstoffverbindungen im Eiweiß kommt der Stoffwechsel gut zurecht. Sie werden bei den Säugetieren, also

Weitere Kostenlose Bücher