Naturgeschichte(n)
herausgeputzt, während die Weibchen schlicht und unauffällig bleiben.
Lange grübelte er darüber nach. Schließlich fand er die Lösung. Es gibt nicht nur die » natürliche Selektion« als Auslese der am besten Geeigneten und Angepassten, sondern eine zweite, ganz andere Form von Selektion. Sie geht fast immer vom weiblichen Geschlecht aus. Darwin nannte sie » sexuelle Selektion«, weil es dabei auf die Partnerwahl ankommt und nicht wie bei der natürlichen Selektion auf die Umwelt.
Den Menschen schloss Darwin hier gleich mit ein. Auch wir sind, das wusste man seit eh und je, einer mehr oder weniger kritischen Partnerwahl ausgesetzt. Daher wollen wir uns auch stets ins beste Licht rücken. Oder uns schöner und besser machen als wir das von Natur aus sind. Daher wird sehr viel Geld für die Verschönerung des Äußeren ausgegeben. Weit mehr als für Bildung. Es wirkt hier also ein mächtiger Urtrieb, der den Verstand ausschaltet.
Die Risiken, die für Äußerlichkeiten eingegangen werden, sind auch bei uns Menschen enorm. Tödliche Verkehrsunfälle aus angeberischer Raserei mit dem Auto, finanzielle Überschuldung und, was meist gar nicht bedacht wird, Verluste an Zeit, die bekanntlich nicht vermehrbar ist. Also sollte auch das Prachtgefieder der Vögel voller Risiken und Kosten stecken. Der israelische Biologe Amotz Zahavi verwendete dafür den Ausdruck » Handicap«.
Seine Erklärung besagt: Die Männchen beweisen je nach Handicap, mit dem sie sich ausstatten oder das sie als Risiko auf sich nehmen, wie fit sie sind. Denn nur die wirklich Fitten überleben ihr Handicap. Über die tatsächlichen Qualitäten des Trägers sagt das Handicap jedoch nur dann etwas Verlässliches aus, wenn die Beeinträchtigung oder die besonderen Leistungen ehrlich sind. Es darf nicht so sein wie bei dem jungen Mann, der sich mit dem von den Eltern zur Verfügung gestellten Sportwagen schmückt. Die zugehörige Leistung hat er nicht vollbracht. Dabei kommt man allzu leicht ins Moralisieren – vor allem wenn sich Ähnlichkeiten mit dem Verhalten des Menschen aufdrängen. Das wollen wir hier natürlich vermeiden. Es geht mir darum, verständlich zu machen, warum eine Erklärung wie das » Handicap-Prinzip« für die Schönheit so bereitwillig Aufnahme fand. Sie passt zu unserem Denken. Wir fühlen uns davon angesprochen. Meine Erklärung erfordert etwas mehr Nachdenken. Und aufmerksame Blicke auf die Natur.
Prachtgefieder können wir am leichtesten bei den Enten auf Parkgewässern betrachten. Stockenten gibt es fast überall und in großer Zahl. Die Männchen fallen mit ihrem glänzend flaschengrünen Kopf, dem zitronengelben Schnabel, der braunen Brust und der gemusterten Zeichnung am Rücken sofort auf. Sie tragen ihr Prachtgefieder vom Spätherbst oder Winter bis in den Frühsommer hinein, und sie verhalten sich sehr auffällig. Häufig balzen die Erpel gemeinsam in Gruppen, sogar wenn gar kein Weibchen anwesend ist. Im Sommer wechseln sie für ein paar Monate zu einem schlichten Gefieder, das dem der Weibchen sehr ähnelt. Die Erpel sind dann unauffällig und fast so tarnfarben wie die Enten. Längst ist auch bekannt, dass die Weibchen den Erpel wählen, mit dem sie sich paaren wollen. Darwin hatte durchaus recht mit der Damenwahl!
Nun lassen Enten sich leicht zählen. Wir können damit prüfen, ob Erpel tatsächlich rar sind, weil das Handicap ihres bunten Gefieders sie stärker gefährdet als die schlichten Weibchen, oder ob Erpel und Enten ungefähr gleich häufig sind. Das Ergebnis überrascht: Es gibt fast immer erheblich mehr Erpel als Enten. Also kann ihr Handicap, wenn ihr Prachtgefieder denn überhaupt eines ist, nicht sehr bedeutsam sein. Lauter Super-Männchen können es ja auch nicht sein. Und es schlüpfen keineswegs mehr Männchen aus den Eiern als Weibchen. Die Erpel überleben einfach besser als die Enten. Das Prachtgefieder belastet sie demnach nicht. Und es gibt noch einen weiteren Unterschied: Die Erpel sind beträchtlich schwerer als die Enten. Sie haben im Winter, wenn es knapp wird, mehr Reserven.
Schönheit im tropischen Regenwald:
Bromelien, Pilze, Blätter, Blüten und Brettwurzeln.
Noch ausgeprägter ist der Gewichtsunterschied bei den Pfauen. Alte Hähne werden doppelt so schwer wie die Hennen. Und sie überleben anscheinend auch besser. Um das zu verstehen, müssen wir uns vergegenwärtigen, was in den Weibchen vorgeht: Sie legen Eier, bebrüten diese und kümmern sich um die Jungen, bis diese
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