Naturgeschichte(n)
Frisch geschlüpfte Entlein schwimmen und tauchen sogar gleich in den ersten Tagen ihres Lebens. Die Verluste sind jedoch auch groß. Die Jungenschar schrumpft wie im Liedchen von den » zehn kleinen Negerlein«. Das ist vor allem für die Mütter schlimm, denn jedes Ei hat einen erheblichen Teil ihrer körperlichen Reserven gekostet.
Aus diesem hohen Schwund ergibt sich geradezu zwangsläufig die Tendenz zur Verkürzung der Bebrütungszeit der Eier. Singvögel und einige andere Vogelgruppen halbieren sie, sodass kleine Singvögel nur noch rund zehn Tage auf ihrem Gelege sitzen, dann schlüpfen die Jungen bereits. Allerdings sind diese hilflos klein, wie Frühgeburten. Sie benötigen eine sehr intensive Fürsorge, die vor allem darin besteht, zu füttern, zu füttern und wieder zu füttern.
Zur Sicherung des Erfolgs der Nestlinge, häufig auch schon, um die Wärme darin besser zu halten, entwickelten viele Vögel kunstvolle Nestbauten. Kein Mensch ist in der Lage, ein geflochtenes Webervogelnest nachzubauen. Noch feiner und kunstfertiger sind die Nester der auch in Mitteleuropa vorkommenden Beutelmeisen. Sie hängen an den äußersten Zweigspitzen, pendeln im Wind, lassen wie guter Filz das Regenwasser ablaufen und halten die Eier und die Jungen warm und trocken. Eine verwandte südafrikanische Art, die Schließbeutelmeise, fabriziert sogar einen falschen, blind endenden Eingang. Damit täuscht sie Schlangen, die das Nest auf Inhalt untersuchen.
Dass Vögel solches zu fertigen imstande sind, verdient unsere Bewunderung – und ein eigenes Kapitel über ihre Schnäbel. Halten wir hier aber fest, dass das Eierlegen der Vögel unter den gegebenen Umständen wohl die beste Lösung ist. Wir Menschen könnten bei 42 Grad Celsius nicht überleben. Den Vögeln ermöglicht die hohe Temperatur das Leben am Südpol und auf Bergeshöhen, in der Tundra und in tropischen Regenwäldern – aber die Eier müssen dann außerhalb des Körpers ausgebrütet werden.
Flinke Finken und der Cocktails schlürfende Kolibri
Wozu aber hat das Vieh diesen Schnabel?
»Wozu aber hat das Vieh diesen Schnabel?«, so fragten sich die beiden Altmeister und Begründer der Vergleichenden Verhaltensforschung Oskar Heinroth und Konrad Lorenz angesichts eines Tukans, der fast zur Hälfte seines Körpers aus Schnabel zu bestehen schien. Die Vielfalt der Vogelschnäbel ist riesig. Sie reicht von winzigen, kaum sichtbaren Schnäbelchen über gewaltige Apparate wie beim Schuhschnabel und nach oben gebogenen Pfriemen bis zu den Vorsicht und Abstand gebietenden Hakenschnäbeln der Großpapageien und Adler. Es gibt Löffelschnäbel und Saugröhren, platte Schnäbel und schmale, hochkantige. Die Aufzählung aller Schnabelformen würde Dutzende von Seiten füllen, denn in nichts unterscheiden sich die rund 10 000 Vogelarten der Erde so sehr wie in ihren Schnäbeln. Ein » Schnabelkundiger« könnte einen Großteil von ihnen richtig bestimmen, ohne den großen Rest des Vogels sehen zu müssen.
Man könnte die Vögel durchaus auch » Schnabeltiere« nennen, wenn die Bezeichnung dafür nicht schon für ein eierlegendes Säugetier Australiens vergeben wäre. Schnäbel tragen zudem die Schildkröten, und zwar wie die Vögel solche ohne Zähne. Die Schnäbel der Vögel wurden von den Menschen, das zeigt zum Beispiel die englische Bezeichnung » bill« ( » Spitze«), als Werkzeuge betrachtet, derer sich die Vögel bedienen. Und genau so ist es. So muss es auch sein, denn Vögel haben gar keine andere Möglichkeit. Ihre Vorderbeine sind zu Flügeln geworden. Sie können damit weder essen noch etwas fangen. Was wir mit Armen und Händen tun, müssen die Vögel mit ihren Schnäbeln machen. Sie tragen damit ihre Werkzeuge beständig im Gesicht. Nur ganz wenige Vogelarten sind in der Lage, Werkzeuge zu benutzen und solche sogar bei Bedarf selbst herzustellen. Und auch dann benötigen sie den Schnabel, um das Werkzeug anzuwenden.
Diese wenigen Beispiele von Werkzeuggebrauch in der Vogelwelt sind gut bekannt, weil sie so kurios sind. Schmutzgeier, kleine Geier, die es in Afrika und Südasien gibt, bleiben nicht ratlos vor einem Straußenei stehen. Sie suchen sich einen schnabelgerechten Stein und schmettern diesen mit Schwung auf das Ei. Mehrfach, bis es zerbricht. Wie sie darauf gekommen sind, entzieht sich unserer Kenntnis.
Ein Winzling im Vergleich zu ihnen, der Spechtfink der Galapagos-Inseln, bricht sich einen langen Kaktusstachel ab, um damit in Ritzen
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