Nauraka - Volk der Tiefe
wünschen?«
Sie schluckte. »Aber natürlich, mein Herr.«
»Falls du bereits schläfst, werde ich dich nicht wecken. Aber ich würde dich wenigstens gern noch einmal sehen, gerade heute.« Er blieb stehen, bis ein Diener sie abgeholt und zur Tür gebracht hatte.
Im Gang erwartete sie ihre Leibdienerin und begleitete sie bis zum Eingang des herrschaftlichen Wohnbereichs, der hinter dem Saal lag und durch einen Torbogen betreten wurde.
Raëlle wanderte still durch ihr Gemach, in dem Kerzen brannten und ein Feuer angenehme Wärme verbreitete. Es gab ein großes Fenster, zugleich die Tür auf den Balkon, den sie mit Berenvil teilte. Draußen strahlte der Siebenstern vom Himmel, und hinter dem Gebirge ging soeben der Perlmond auf, gefolgt von den anderen beiden Monden, und alle drei übergossen die Berggipfel mit silbernem und grünlichem Licht. Es war so still und friedlich hier oben, so weit entfernt allem Weltlichen. Raëlle konnte verstehen, wieso Berenvil hier lebte.
So gut behütet wie hier hatte sie zuletzt in Darystis geschlafen. Unbesorgt, frei von Furcht.
Bis zu diesem Moment.
Mit zusammengefalteten Händen setzte sie sich in den Sessel und wartete.
Nach Mitternacht klopfte Berenvil an die Tür. Raëlle hatte sich seither nicht bewegt. »Darf ich hereinkommen?«, erklang seine Stimme dumpf durch das Holz.
»Gewiss«, antwortete sie. »Jetzt ist es ziemlich , nicht wahr?« Ein jämmerlicher Scherz, der ihre erbärmliche Verfassung nur noch deutlicher hervorstrich.
Doch er lachte, während er eintrat und die Tür hinter sich schloss. Dann blieb er abrupt stehen und starrte sie an.
Bestimmt hatte er nicht erwartet, dass seine junge Gemahlin ihn nach all der Zeit, die sie schon miteinander verbracht hatten, bebend vor Furcht, in völlig verkrampfter Haltung, erwarten würde. Tränen der Scham rollten über ihre Wangen. »Es-es tut mir leid«, flüsterte sie. »Aber … ich kann das einfach nicht.«
»Luri …« Er wurde nicht wütend, sondern sah besorgt aus. Sie schlotterte unkontrolliert am ganzen Körper, als er auf sie zuging, sie sanft bei den Schultern nahm und hochzog. »Du bist ja völlig außer dir.«
»Ich kann nichts dagegen machen«, schluchzte sie.
»Doch, das kannst du«, erwiderte er. »Kämpfe dagegen an!«
»Wie denn?«, wimmerte sie.
»Es ist ein Schritt«, sagte er. »Nur ein Schritt.« Er rieb sanft ihren Rücken, um sie zu wärmen. »Als Erstes solltest du ruhig und gleichmäßig atmen. Keine Angst, du schaffst das schon.«
Sie gab sich Mühe, und nach einer Weile beruhigte sie sich tatsächlich. Seine Nähe, seine Wärme taten ihr gut. Ihre Tränen waren versiegt und sie blickte zu ihm auf.
»Siehst du?«, lächelte er. »Und nun sag mir, was du willst.«
»W-was meinst du …«
»Du weißt genau, was ich meine. Du hast Angst, weil du glaubst zu wissen, was ich will. Und jetzt reden wir darüber, einverstanden? Hör mir zu.
Ja, ich begehre dich, Luri, ich möchte deinen Körper nah an meinem spüren, endlich die Samtheit deiner Haut fühlen und ergründen, was dir gefällt, was dich erregt. Ich möchte dich lieben, jeden Tag, jede Nacht, ein Leben lang. Du musst mir glauben, dass ich noch bei keiner Frau so empfunden habe. Seit ich hier oben lebe, habe ich mühelos jede Nacht ohne Frau verbracht. Jetzt aber erinnerst du mich daran, dass ich immer noch ein Mann bin. Und dieser Mann will sich nicht nur mit dir vereinigen, er will auch eine Familie mit Kindern. Das ist mein Ziel.
Und nun bist du dran.«
Seine Worte lösten Herzklopfen in ihr aus, und sie merkte, wie die Wärme seiner Hände sie immer tiefer durchströmte. »Du verzeihst mir?«
»Was sollte ich zu verzeihen haben?«, gab er verwundert zurück. »Ich will nur wissen: Soll ich gehen oder bleiben?«
Sie konnte keine Antwort geben, ihre innere Zerrissenheit spiegelte sich auf ihrem Gesicht.
»Luri«, sagte er daraufhin sanft. »Komm.« Er führte sie zu ihrem Bett. »Leg dich hin und entspanne dich. Ich tue nichts, was dir missfällt. Ich verspreche es dir.«
Kämpfe dagegen an .
Sie wollte nicht ihr Leben lang einsam schlafen, sie wollte wieder gesund sein und all das erleben, wovon die Frauen auf der Reise hierher in den Gasthäusern hinter vorgehaltener Hand kichernd gesprochen hatten, mit einem rosigen Schimmer auf den Wangen.
Langsam ließ sie sich zurücksinken und sah zu, wie er ihre Kleidung öffnete und sie behutsam abstreifte.
»Wie schön du bist«, sagte er leise. »Wunderschön.
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