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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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See.«
    »Und so ist es auch bei meinen Kindern, was die Verbundenheit betrifft«, flüsterte Alrydis. Tiefer Schmerz furchte ihre schönen Züge. »Ich bin zu meinem Vater gereist, weil ich mir nicht zu helfen wusste. Und er sagte mir, was ich schon ahnte: Es ist Zeit, ins Meer zurückzukehren . Dies sind Erenwins Kinder, das Blut der Sippe meines Vaters strömt durch ihre Adern, zu der Erenwin und auch Ihr immer noch gehört. Diese Kinder sind Nauraka. Die Erben der Sippe Perlmonds, die Letzten, die ins Meer zurückkehren, um neu anzufangen. Mit Euch, Königin.«
    Lurdèa wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihr fiel nur eines ein. »Liebste Bruderfrau, kommt mit uns, mit Euren Kindern.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Ich bin Ylwanin, meine Heimat ist das Land. Ich kann mir keine Kiemen mehr wachsen lassen, diese Hoffnung musste ich aufgeben. Aber diese beiden … sie haben so große Sehnsucht nach dem Meer. Den ganzen Tag wollen sie im Wasser verbringen. Manchmal bilden sich ihre Kiemen auch außerhalb davon, und dann quälen sie sich und ringen nach Atem. Das kann ich nicht mit ansehen, edle Lurdèa. Sie gehören zu Euch. Ich will sie nicht aufgeben, aber ich muss. Ich habe Erenwin verloren, und ich kann seine Kinder nicht halten. Ich wollte es nicht wahrhaben, doch jetzt verstehe ich, was er bei seinem Abschied meinte.«
    »Ihr habt ihn uns zurückgebracht, Alrydis«, widersprach Lurdèa erschüttert. »Durch seine Kinder.« Ihr blieb nichts anderes übrig. Sie nahm die Zwillinge auf den Arm, die sich sofort zufrieden glucksend an sie schmiegten, als würden sie Lurdèa schon immer kennen und ihr vertrauen. »Aber sie werden wissen, wer ihre Eltern sind. Ich werde mich um sie kümmern und erziehen, als wären es meine eigenen Kinder. Und ich bitte Euch – kommt wieder. Wenigstens einmal im Jahr, wenn Markt ist. Zeigt Euch Euren Kindern, sie müssen wissen, wer ihre Mutter ist. Vielleicht wollen sie eines Tages wieder zurück zu Euch, und diese Entscheidung müssen wir ihnen überlassen und ihnen gewähren.«
    Die Lippen der Ylwanin bebten, und sie schwankte. Sternsang legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter, um sie zu stützen. »Ich-ich weiß nicht, ob ich das ertragen kann.«
    »Ganz gewiss werdet Ihr es nicht ertragen können, sie nie wiederzusehen«, erwiderte Lurdèa. »Und sie würden in jedem Fall eines Tages nach Euch suchen. Also versprecht es mir.«
    Alrydis neigte verzagt den Kopf. »Mein Vater sagte mir dasselbe. Er ist ein weiser Mann. Also werde ich nach Ardig Hall gehen und auf die heilenden Hände meiner Mutter hoffen, dass sie mir den Schmerz nehmen. Und … in einem Jahr wiederkommen. Ich verspreche es.« 
    »Ich stehe dafür ein«, sagte Sternsang mit ihrer sanften, melodischen Stimme.
    »Dann ist mir wohler zumute, und ich kann leichteren Herzens annehmen. Denn … da ist etwas, das auch Ihr nun erfahren sollt.«
    Die Frau sah sie an, ihr gebrochenes Herz schwamm in ihren Augen.
    »Er hat von Euch gesprochen«, fuhr Lurdèa fort.
    »Was?«, hauchte sie.
    Lurdèa nickte. »Kurz bevor wir aus Dorluvan flohen, fragte ich Erenwin, ob er gefunden habe, was er suchte – die Liebe der Nauraka. Er fing an zu weinen und sagte ja . Und dann erzählte er mir von Euch. Ich wusste sofort, wer Ihr seid, als ich Euch vorhin sah.«
    Alrydis konnte nur noch mit Mühe die Fassung wahren. »Ich danke Euch«, stieß sie mit brüchiger Stimme hervor.
    »Es soll ein Trost für Euch sein«, sagte Lurdèa. »Eure Kinder sind aus Liebe entstanden, und diese werden sie weitergeben. Sie werden die Zukunft der Nauraka weisen und unsere Lehrmeister sein.«
    »So soll es sein.« Ein letztes Mal streichelte und küsste Alrydis ihre Kinder. Dann drehte sie sich schluchzend um und floh.
    Sternsang verneigte sich wortlos vor der Königin und folgte der Ylwanin.

    Lurdèa stand erschüttert da, mit den Kindern auf dem Arm, die unruhig wurden und zu krähen begannen. Seitlich am Hals bildeten sich bereits die Kiemen. Sie wollten ins Wasser, verlangten danach. Lurdèa ging an den Rand des Riffs, wo der Grund abrupt in die Tiefe fiel, wickelte sie aus und sprang mit ihnen ins Nass. Schon nach wenigen Schwimmzügen strampelten sich die beiden von ihr frei, ihre rosigen Gesichtchen strahlten, und flink paddelten sie nach unten in die Tiefe, während ihre Beine zusammenwuchsen und die Armhäute sich aufblähten.

    Die Zeit verging. Ylwa und Rowarn hielten Lurdèa in Atem, mehr als es das ganze Reich vermochte.

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