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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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hatte Eri noch nie gesehen, und die dadurch unverhüllten Ohren waren vielfach durchbohrt und trugen kostbaren, fein gearbeiteten Schmuck bis zum Muschelbogen hinauf.
    Diese Nauraka waren in jedem Fall anders und konnten leicht von den Darystis unterschieden werden, nicht nur aufgrund der Kleidung, sondern auch der ganzen Gestik. Fürst Janwes Gefolge füllte nun die Halle, und allgemeines Raunen und Tuscheln setzte ein.
    Der junge Fürst verneigte sich vor dem Hochfürsten und vollzog die Geste der respektvollen Unterwerfung und Anerkennung des höheren Rangs; das geschah auf vollendete, obgleich steife Weise, mit einer Spur Hochmut. Doch Ragdur zeigte sich zufrieden, denn er verließ seinen Thron, glitt auf Janwe zu und legte dann seine Hände auf dessen Schultern. Unter lautem Beifall und Hochrufen aller gab er dem Gast den fürstlichen Kuss auf die Stirn, der besagte, dass Janwe als künftiger Sohn willkommen war. Erst damit durfte er offiziell in den nächsten drei Dämmerungszyklen um Luri werben, was die Prinzessin wahrscheinlich voller Freude guthieß. Und Eri sah seiner Schwester an, dass sie bereits völlig hingerissen war. Eri musste zugeben, dass diesem Moment eine gewisse Romantik zugestanden werden musste.

    Das Fest war eröffnet, und fröhliche Ungezwungenheit sollte herrschen. Die Schalen des Banketts wurden ständig nachgefüllt und viele Getränke gereicht, und die Dienerschaft huschte unauffällig und beflissen umher.
    Eri merkte jedoch schnell, dass die Gäste keineswegs so ungezwungen und natürlich waren wie die Darystis. Um nicht zu sagen, sie waren ziemlich hochnäsig. Kühl und zurückhaltend, zugleich in ihren Sitten und Verhaltensregeln noch strenger als die Darystis, was kaum zu glauben war. Das störte den Hofstaat allerdings nicht im Geringsten, Hauptsache, es gab ein Fest. In der ganzen Stadt wurde gefeiert und von der Dienerschaft des Palastes Speisung verteilt. 
    Eri dachte traurig an die Verbannten, die bestimmt nichts von alledem bekommen würden. Kurzzeitig spielte er mit dem Gedanken, heimlich einen Transport zu organisieren, aber sein Vater wäre sicher dahintergekommen, und dann hätte es einen Eklat gegeben. Wie es aussah, war Fürst Janwe seinem künftigen Gesetzesvater nicht unähnlich und wohl von ähnlich harter Gesinnung, zumindest drückte seine Gestik das aus, und auch sein autoritärer Geruch. Er würde also nicht auf Eris Seite stehen und es als rührende Geste ansehen – und Luri wäre die Leidtragende gewesen.
    Also blieb ihm nichts anderes übrig, als den Gedanken an die Ausgestoßenen zu verbannen. Er schämte sich dessen. Nach Verwesung stank er, hatte Turéor gesagt? Ja, so war es auch. Der schrullige alte Mann konnte sich vielleicht nicht klar ausdrücken, aber er hatte ein sicheres Gespür für Unrecht, das Eri nun auch beging, nicht nur sein Vater. Eri hätte gern ein zweites Versprechen gegeben, dass er eines Tages dieses unwürdige Dasein der Ausgestoßenen beenden und ihnen die Freiheit geben würde. Aber er konnte sich nicht selbst belügen, nur um sich für den Moment besser zu fühlen. Nichts würde er ändern können, solange Ragdur und dereinst Lurion den Thron innehatten. Er war selbst gezwungen, den Hof zu verlassen, und durfte wahrscheinlich nie mehr zurückkehren. Da half nur zu vergessen und zu verleugnen, was er wusste.
    Reiß dich zusammen , ermahnte er sich, Luri darf es nicht erfahren .

    Luri konnte es kaum mehr erwarten, dass der junge Fürst endlich zu ihr käme. Sie musste sich jedoch noch ein wenig länger gedulden, da verständlicherweise zuerst ihr Vater mit ihm sprechen wollte; sie zogen sich dazu in einen privaten Audienzraum zurück. Hochfürstin Ymde winkte ihr, sich zu ihr zu gesellen, und die Prinzessin kam der Aufforderung mit glühenden Wangen nach.
    »Nun, mein Liebes, gefällt er dir?«, fragte die Mutter und strich ihr flüchtig übers Haar.
    »Ja, sehr«, antwortete Luri aufgeregt. »Er sieht richtig gut aus, nicht wahr?«
    »Durchaus, und er benimmt sich tadellos wie ein Hochadliger, das hätte ich gar nicht erwartet. Er bringt uns viel Respekt entgegen.«
    Eigentlich nur Vater , dachte Luri bei sich. Bei all dem Zeremoniell war die Mutter der künftigen Braut mit keinem Wort erwähnt oder angesprochen worden. Janwe schien gut zu Ragdur zu passen.
    Allerdings fiel ihr auf, dass die Karunder zwar dem Hofstaat gegenüber recht hochmütig waren, jedoch allesamt einer nach dem anderen der Fürstin ihre Aufwartung machten und

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