Nayidenmond (German Edition)
du weißt, dass ich Liebe zwischen Männern nicht verurteile.“
„Barlev“, begann Rouven, doch er fand keine Worte für das, was er aussprechen wollte.
„Versucht es. Geht zusammen fort und versucht es einfach. Eine Liebe, die scheitert, lässt sich ertragen. Um eine Liebe zu trauern, die man niemals ausleben durfte, richtet einen Menschen zugrunde.“
Wortlos sprang er auf und fiel Barlev um den Hals.
„Ich habe dich nicht verdient“, flüsterte Rouven seinem Bruder zu. Dann begann er zu lachen, ein warmer, heller Laut der reinen Freude, das erste richtige Lachen seit sechs Jahren. Es klang wunderschön. Barlev sah Iyen über Rouvens Schulter hinweg an. Sie wussten beide, dass in diesem Moment etwas ganz Besonderes geschehen war.
„Zieh dich an, Kleiner, so kannst du nicht durchbrennen“, sagte Barlev schließlich und verpasste Rouven einen herzhaften Klaps auf den Hintern, der ihm dafür übermütig die Zunge herausstreckte, sich dann aber gehorsam aufmachte, um sich anzuziehen und alles Notwendige zu packen. Iyen musterte den älteren Prinzen, der den Blick erwiderte.
„Schon vor sechs Jahren hast du mir so gegenübergestanden“, sagte er schließlich leise genug, dass Rouven ihn nicht hören konnte. „Damals hast du mir meinen Bruder zurückgebracht, um zu verhindern, dass etwas Schreckliches geschehen konnte. Bereits da habe ich geahnt, dass es kein reiner Gerechtigkeitssinn war, der dich umgetrieben hat. Nun stehen wir wieder hier und diesmal übergebe ich meinen Bruder in deine Obhut, um zu verhindern, dass durch Arnulfs Starrsinnigkeit etwas geschieht, wodurch er gebrochen wird. Sei gut zu ihm, Oshanta.“
Iyen neigte in einer respektvollen Geste den Kopf vor ihm.
„Du hast vieles an dir, was mich wünschen lässt, du würdest mehr als nur die Krone von Mornlin übernehmen, aber das Großkönigreich wirst du wohl niemals erben. Ich danke dir für alles, was du Rouven und mir geschenkt hast.“
Barlev beugte sich noch näher an ihn heran und flüsterte in kaum vernehmbarem Verschwörerton: „Reiner Eigennutz. Meine Frau hätte mir die Augen ausgekratzt, wäre ich nach Mornlin abgereist und hätte drei Tage später die Nachricht empfangen, dass Rouven sich umgebracht habe. Meine Schwiegermutter hingegen hätte mich von den königlichen Soldaten abführen lassen, wenn ich nicht im Laufe der nächsten Woche losgezogen wäre, und das wäre der denkbar schlechteste Beginn einer Regentschaft gewesen.“ Er stockte, grinste unvermittelt und zwinkerte Iyen zu. „Du hast dir da keine Kleinigkeit aufgeladen. Rouven ist schwer zu bändigen.“
Iyen blieb völlig ernst, obwohl es ihm schwerer fiel, als er sich selbst eingestehen wollte.
„ Das ist mir auch schon aufgefallen, Eure Hoheit“, erwiderte er so trocken, dass Barlev sich beinahe selbst ersticken musste, um nicht laut loszulachen.
„Erzählt er Lügengeschichten über mich?“, fragte Rouven von hinten. Er war reisefertig, sein Bündel geschnürt. Iyen packte ihn sich impulsiv und küsste ihn, bis Barlev gekünstelt zu hüsteln begann.
„Auf bald, Bruder“, sagte er. „Ich werde allen erzählen, dass du dich mir anvertraut hättest, eine Pilgerreise nach Kautamur unternehmen zu wollen, ganz allein, um dein inneres Gleichgewicht wiederzufinden.“
„Das wird Arnulf in Verzückung versetzen“, erwiderte Rouven Augen rollend. Iyen konnte es ihm nicht verdenken – Kautamur war das wichtigste religiöse Heiligtum im Großkönigreich. Wer dort hinging, wollte meist für immer dort bleiben und sein Leben ausschließlich dem Gebet widmen.
„Das wird verhindern, dass man dich suchen lässt und man wird dich nicht wie einen Verbrecher am Stadttor abweisen, solltest du jemals nach Vagan zurückkehren wollen.“
„Wo wir gerade von Abreisen sprechen, wirst du Ussym mitnehmen?“, fragte Rouven.
Barlev errötete schon wieder verlegen und nickte mit abgewandtem Blick.
„Ussym ist sein Kammerdiener, und noch mehr“, wisperte Rouven Iyen ins Ohr. Er umarmte Barlev ein letztes Mal, sagte leise: „Alles Glück dieser Welt für dich, und bis bald!“
Dann schritt er zum Fenster und winkte Iyen frech grinsend zu.
„Wollen wir? Langsam haben wir ja Routine darin, nachts aus dem Palast zu fliehen.“
„Du wirst trotzdem ein Seil nehmen, Prinz Leichtsinn“, knurrte Iyen. Er fühlte sich so leicht wie noch nie zuvor in seinem Leben. Der Mond, der sich bereits wieder zu runden begann, erhellte die Nacht. Er trug keinerlei
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