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Nayla die Loewin

Nayla die Loewin

Titel: Nayla die Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knip
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fast jedes einzeln, als müsse er sich die Sätze erst genau zurecht legen.
    „Wir waren zusammen unterwegs, bis letzte Nacht. Da stritten wir uns. Nayla ist einfach abgehauen. Und ich bin verletzt worden. Irgendwann habe ich das Dorf erreicht. Und gesehen, dass auch hier alles verlassen ist.“
    „Sehmu, du bist nicht verletzt worden. Du bist von einem Raubtier angefallen worden. Es ist eher ein Wunder, dass du noch lebst!“
    „Wir müssen meine Schwester finden! Ihr darf nichts geschehen!“ Der junge Schwarze stützte sich auf der Kante einer Truhe ab und zog sich empor. „Es geht schon“, wehrte er Talons fragenden Blick ab. „Ich bin erschöpft, ja. Aber es geht schon.“
    Auch wenn seine Worte Entschlossenheit verrieten, hielt er sich die nächsten Schritte an jedem vorstehenden Halt fest, der sich ihm bot. Er schob sich hinter Talon durch die Türöffnung und atmete heftig.
    „Willst du nicht hier warten, und ich suche deine Schwester“, bot ihm der Weiße an. „Sobald ich sie finde, komme ich hierher zurück.“
    Sehmu schüttelte den Kopf.
    „Nein. Sie wird nur mir vertrauen. Ich muss dabei sein.“
    Erneut durchzog ein röhrendes Gebrüll den frühen Tag. Talon versuchte die Richtung auszumachen. Es mochten nur wenige hundert Meter sein, die das Raubtier entfernt war. Dennoch irritierte ihn etwas. Das Geräusch erinnerte an kein Tier, das er kannte. Vielleicht verzerrte die Umgebung die Klänge etwas.
    Überrascht stellte Talon fest, dass der junge Farbige genau in die Richtung lief, aus der die Geräusche erschollen. Seine Schritte wirkten bereits jetzt schon sicherer als noch vor wenigen Minuten.
    „Sehmu“, wollte Talon den Jungen zurückhalten. „Wir wissen nicht, was uns dort erwartet.“
    „Meine Schwester“, erhielt er nur die orakelhafte Antwort, mit sich der der Schwarze seinen Weg durch das Dickicht des Dschungels suchte. Talon folgte ihm, ohne eine weitere Frage zu stellen. Er behielt den jungen Mann jedoch genau im Auge, um auf jede unvorhergesehene Aktion vorbereitet zu sein.
    Trotz der lebendigen Fülle an Pflanzen, die sie umgaben, war außer dem Rascheln des Unterholzes kein einziger Laut zu hören. Kein Vogelgeschrei, nicht einmal das Summen oder Zirpen von Insekten. Nur ein beständiger dumpfer Ton, der sich fast fühlbar auf die Haut der beiden Männer legte, erfüllte die Luft. Schweigend liefen sie hintereinander her. Talon konnte das Unbehagen des jungen Mannes deutlich spüren. Es wäre ihm offenkundig lieber gewesen, ohne Begleitung nach seiner Schwester suchen zu können.
    Das Misstrauen wuchs in dem hochgewachsenen Mann, der unwillkürlich die rechte Hand um den Griff des Messers an seinem Gürtel legte. Dieser junge Mann verschwieg ihm viel zu viel, als dass er bereit war, ihm völlig zu trauen. Er war aber auch nicht dazu bereit, passiv abzuwarten und zu sehen, was geschehen würde. Lieber stellte er sich der Gefahr, als völlig von ihr überrascht zu werden.
    Der Schwarze beschleunigte seinen Schritt ein wenig. Es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr ihm die Wunden und die Schwüle zusetzten. Immer wieder taumelte er und kam leicht ins Straucheln, wobei er sich mit der Hand an herunterhängenden Lianen festhalten musste.
    Ein bedrohlich leises Grollen erklang aus dem dunkelgrünen Halbschatten vor ihnen, nur wenige Dutzend Schritt entfernt. Talon zog das Bajonett aus seinem Schaft. Das leise, metallene Sirren ließ Sehmu herumfahren. Er sah die lange Klinge in Talons Griff und hob abwehrend die Hand.
    „Nein, bitte!“, entfuhr es ihm. „Das brauchen wir nicht!“
    Keine drei Schritt vor ihm riss plötzlich das Blätterwerk auseinander. Ein schlanker, mannshoher Schatten jagte durch die Öffnung und landete halb verdeckt im Unterholz. Er strich um den jungen Schwarzen herum. Dumpfe Laute lösten sich aus seiner Kehle. Denn jedoch wandte er sich Talon zu. Blitzschnell schoss die Gestalt aus dem Dickicht hervor und richtete sich vor dem Weißen auf, der das Wesen nur ungläubig betrachtete.
    Nicht das dunkle Fell des raubtierähnlichen Wesens war es, das so unfassbar schien, sondern die Stofffetzen, die sich um den Körper schlangen. Genauso wie die Schmuckstücke, die in dem fahlen Licht der Umgebung aus der Mähne hervorstachen und leicht aufleuchteten
    „Nayla, nicht“, rief Sehmu.
    Talon jedoch war nicht bereit, ein Risiko einzugehen und abzuwarten, ob das Tier auf den Ruf reagierte. Die Klinge des Bajonetts landete wie selbstverständlich in seiner Hand,

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