Nazigold
nochmals fragt, beginnt er, über den gestrigen Brand zu sprechen.
»Es war Brandstiftung. Das ist doch klar.«
»Wieso weißt du das?«
Buchner frohlockt: »Weil ich den Feuerteufel hab.«
»Wen?«
»Den Kerl hab ich mir noch in der Brandnacht geschnappt.«
»Wen denn?«
»Der kommt nimmer raus.«
»Wer, verflucht noch mal?«
»Er hat gestanden. Alles gestanden und fertig.«
»Herrgottsakra! Wer?«
»Unser Idiot. Der Korbi. Wer sonst?«
Gropper wird blass. »Den lässt du sofort frei«, befiehlt er.
»Er hat das Feuer gelegt.«
»Er hat in der Nacht bei Maier geschlafen und ist mit mir zum Feuer
gerannt.«
»Das sagst du. Deshalb muss das noch lange nicht stimmen.«
»Der Maier ist Zeuge!«
»Ihr steckts alle unter einer Decke. Der Idiot war’s. Hat sich schon
lange verdächtig gemacht.«
»Wodurch?«
»Immer ist er um den Keller herumgeschlichen.«
»Das ist nicht verdächtig.«
»Für mich schon.«
»Wo ist er?«
Buchners Augen funkeln böse.
»Wo ist er?«
»Unten in meiner Zelle.«
»Gib mir den Schlüssel«, fordert Gropper.
»Das ist mein Gefangener. Der bleibt hier.«
Gropper streckt die Hand aus. »Den Schlüssel.«
Störrisch schüttelt Buchner den Kopf. »Er hat das Feuer gelegt, der
Krüppel muss weg, basta!«
Da kann sich Gropper nicht mehr beherrschen. »Dir schaut immer noch
der Hitler aus den Augen«, brüllt er ihn aufgebracht an.
»Halt du dein Maul, du Deserteur«, schreit Buchner zurück.
»Ich rufe in München an. Die sollen dir ein Disziplinarverfahren
anhängen wegen Amtsmissbrauchs.«
»Da lachen ja die Hühner!«
Gropper greift zum Telefon und wählt.
»Wen rufst du an?«
»Präsidium.«
Buchner reißt ihm den Hörer aus der Hand und knallt ihn auf die
Gabel.
»Auch noch Dienstbehinderung?«, zischt Gropper.
Wutschnaubend wirft Buchner ihm die Schlüssel auf den Schreibtisch.
»Na also. Warum nicht gleich?«
Buchner bebt vor Zorn.
Gropper steigt in den Keller hinab. Drei Verschließe gibt es in dem
kalten und feuchten Gewölbe. Die ersten beiden Zellen sind leer. Als Gropper
die dritte aufschließt, sieht er, wie Korbi immer wieder an der Außenwand zum
schmalen, vergitterten Kellerfenster hochspringt, um einen Blick nach draußen
zu erhaschen. Er hatte gar nicht gehört, dass die Zellentür geöffnet wurde, und
erst als Gropper ihn anspricht, dreht er sich erschrocken um. Noch immer ist er
barfuß und nur mit seiner weißen Unterhose bekleidet, die jetzt nicht mehr so
weiß ist, und mit seiner weiten Jacke über dem nackten Oberkörper. Als er
Gropper sieht, stößt er sein wildes Lachen aus. Er fällt ihm um den Hals und
klammert sich japsend an ihm fest, dass sich Gropper nur mit Mühe von ihm lösen
kann.
Draußen springt Korbi wie ein junger Ziegenbock, der einen Winter
lang in einen engen Stall eingepfercht war, kreuz und quer über die Straße,
dass Gropper Angst hat, er gerät unter ein Auto.
Als er in die Revierstube zurückkehrt, bebt Buchner noch immer vor
Wut. »Bin froh, wenn du wieder weg bist«, sagt er.
»Das könnte dir so passen.«
»Kannst gleich heute nach Hause fahren. Der Fall Nafziger ist
erledigt.«
Gropper glaubt, nicht richtig gehört zu haben. »Wie, erledigt?«
»Geh nach nebenan. Da liegt was auf dem Tisch.«
»Ist das die Neuigkeit?«
»Vorgestern in der Früh war eine Frau hier und hat als Zeugin
ausgesagt. Drüben liegt das Protokoll.«
»Das sagst du mir jetzt erst?«
»Du warst ja mit deinem Krüppel beschäftigt.«
Gropper geht nach nebenan. Da liegt tatsächlich ein mit der
Schreibmaschine getipptes Protokoll. Als Erstes will er die Unterschrift sehen.
Doch am Ende der zweiten Seite steht handschriftlich nur das Kürzel » W.G. «.
W.G. ? Wilma Gschwandtner? Wilma?
Er kennt ihre Handschrift nicht. Sie hatten sich nie Briefchen
geschrieben, sich nie Zettelchen zugesteckt.
Unter dem Kürzel sieht er Buchners Unterschrift, den Stempel der
Landpolizei und daruntergetippt: Auf ausdrücklichen Wunsch
der Zeugin werden im Protokoll der Name und die Wohnanschrift der Zeugin nicht
genannt. Beide sind dem vernehmenden Polizeihauptmeister bekannt.
Gropper greift zur ersten Seite und liest: Mittwoch,
12. Juni 1946. 9.35 Uhr. – Das war an seinem zweiten Tag im
Lager, als er Albrecht traf.
Ich, W.G. , geboren am 14.4.1911 in Mittenwald, Tochter des Metzgermeisters J.G. – Es ist tatsächlich Wilma! – und seiner Ehefrau E.G. , wohnhaft in Mittenwald, unverheiratet, Gelegenheitsarbeiterin im
Lokal »Crazy
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