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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Robin: »Vielleicht ist sie ja besser dran, da, wo sie jetzt ist. Nancy, meine ich.«
    Mark, der nicht wusste, was er antworten sollte, sagte nichts, er nickte nur und wartete darauf, dass Robin fortfahren würde. Aber Robin schwieg. Zehn Minuten später war alles wieder zusammengepackt und sie setzten den Aufstieg fort.
    Der Edge war ein schmaler, auf beiden Seiten steil in die Tiefe abfallender Grat, auf dem es unmöglich war, nebeneinander herzugehen. Robin und Mark hatten ihn schon oft überquert.
    »Soll ich vorn gehen?«, fragte Mark.
    »N-nein, nein, n-nicht nötig. Kein Problem.«
    Die Sonne fing Robin ein, und sein Schatten fiel dunkel auf den Felsgrund, als er vorsichtig voranging. Sorgsam darauf bedacht, auf dem vereisten Untergrund festen Halt zu finden, ging er Schritt für Schritt weiter bis zur Mitte. Dort blieb er stehen. Sein Gesicht war in blendendes Licht getaucht, als er sich herumdrehte. Vielleicht fünf Sekunden stand er dort, völlig reglos, und blickte, von goldenem Glanz umgeben, zu Mark zurück. Dann trat er ohne ein Wort mit einem Schritt zur Seite ins Nichts.

51
    Michelle erwachte vom Geräusch des Regens, der an die Fenster schlug, und vom Blip-Blip des Wassers, das durch das Leck im Dach in den Plastikeimer darunter tropfte.Gary, der neben ihr lag, atmete ruhig und regelmäßig, und als sie sich zu ihm herumdrehte, roch sie den Zigarettenrauch in seinem Haar. Er war am Abend wieder im Pub gewesen. Und sie mit ihm. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie je so oft aus gewesen waren. Sie ließ die Kinder nicht gern allein, nicht mal für eine halbe Stunde, aber die beiden hatten fest geschlafen, und wenn sie einmal schliefen, wachten sie fast nie auf. Außerdem wäre Gary ausgeflippt, wenn sie Nein gesagt hätte. Nur ein Glas, hatte sie gesagt, als sie angekommen waren, aber Brian, der alte Angeber, hatte wieder mordsmäßig auf den Putz gehauen, hatte sie ständig angemacht, darauf bestanden, dass sie und Josie Cola mit Rum tranken, und natürlich nicht vergessen, ihr unter den Rock zu fassen, sobald sie sich gesetzt hatte. Gary hatte zum Glück nichts gemerkt.
    Michelle war sicherer denn je, dass Brian irgendwelche krummen Sachen machte. Brian und Gary gemeinsam, diese vielsagenden Blicke, diese kleinen Püffe, und wie sie immer wieder in einer Ecke verschwanden und miteinander tuschelten. Für Gary schien allerdings nicht viel herauszuspringen bei der Geschichte. Manches, dachte sie bitter, änderte sich eben nie.
    Sie schaute zu Gary hinunter, dessen Gesichtszüge im Dämmerlicht weicher wirkten. Er war einer von diesen Männern, die eigentlich immer aussahen wie kleine Jungen, ganz egal, wie alt sie wurden. Einer von denen, die immer in die falsche Richtung schauten, immer in der falschen Schlange standen. Mit plötzlicher Zärtlichkeit beugte sich Michelle hinunter und küsste ihn und lächelte, als er die Hand emporschwang, als wollte er nach einer Fliege schlagen. Unten war inzwischen die Kleine erwacht, der erste Schrei des Tages war zu hören.
    Michelle stand auf.
     
    Resnick hatte überhaupt nicht geschlafen. Zweimal hatte er sich gezwungen, sich hinzulegen, um eins und dann noch einmal um halb vier, beide Male hatte er sich eine halbe Stunde lang rastlos herumgewälzt und vergeblich versucht, nicht an Lynn zu denken, ehe er wieder aufgestanden war. Er war ziellos im Haus herumgelaufen, hatte immer wieder auf der Dienststelle angerufen, um zu hören, ob es irgendwelche Entwicklungen, irgendetwas Neues gab. In der Küche hatte er Brot geröstet und mit Käse gegessen, würzigem Gorgonzola, der nach nichts schmeckte. Er war so sicher gewesen, dass die Durchsuchung der Listen der Open University sie weiterbringen würde. McCain und Reverdy, beides keine geläufigen Namen. Aber sie hatte nur in Sackgassen und auf falsche Fährten geführt. Vergeudete Zeit.
    Resnick sah Harry Phelans zornverzerrtes Gesicht vor sich:
Achtundvierzig Stunden, das ist doch der Zeitrahmen, stimmt’s ? Achtundvierzig Stunden. Wenn sie bis dahin nicht gefunden sind, kann man davon ausgehen, dass sie tot sind, verdammt noch mal.
Er sah Harry Phelan auf dem gefrorenen Acker stehen, während hinter ihm, im wartenden Ambulanzwagen, von einer Plastikplane bedeckt, der Leichnam seiner Tochter lag. Resnick zwang sich, nicht auf die Uhr zu sehen.
    Er hatte sie alle befragt, Maureen Madden, Kevin Naylor, jeden, mit dem Lynn vielleicht gesprochen hatte, ob sie irgendetwas von einem neuen Mann in Lynns Leben

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