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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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kein Wunder, dass er sich so schwer von seinem Frittensandwich getrennt hatte, es war für ihn wahrscheinlich das Highlight der Woche.
    Auf der Dienststelle setzten sie Thomas in eine Ecke des Dienstraums und erklärten ihm, was er zu tun hatte. Divine und Naylor hatten bereits gute zwei Stunden mit dem zuständigen Beamten zugebracht und versucht, ein anständiges Phantombild zusammenzubringen. Das Problem – oder Teil des Problems – war, dass an dem Mann, der sich Reverdy nannte, über die Haarfarbe und die Form des Mundeshinaus – klein, sagten sie beide übereinstimmend, die Winkel leicht abfallend – nichts Bemerkenswertes war. Das heißt, außer den Augen. Aber genau über die Augenfarbe konnten Divine und Naylor sich nicht einig werden.
    Corin Thomas allerdings konnte diese Frage nicht kratzen. »Ich hab den Kerl ja nie richtig gesehen. Ich meine, das muss Ihnen doch klar sein.«
    Es war ihnen klar.
    »Und das Licht draußen   …«
    Auch das mit dem Licht war ihnen klar.
    »Tja, dann – aber darauf festnageln lassen möchte ich mich nicht, ich meine, vor Gericht beschwören könnte ich gar nichts – aber ich würde sagen, der Typ, der mit Ihrer Kollegin da unten im Hof rumgetorkelt ist – ich würde sagen, ja, das könnte er sein.«
     
    »Chef!« Divine stand strahlend an Resnicks Tür. »Sieht ganz danach aus, als ob der Typ vom ›Little Chef‹ der ist, der Lynn hat.«
    »Okay.« Resnick war schon auf den Beinen. »Eben ist die Bestätigung von den Kollegen in Manchester gekommen. Der Wagen, den er gefahren hat, gehört tatsächlich einem Mann namens Reverdy. Er wurde irgendwann im Lauf der letzten zehn Tage gestohlen. Der Eigentümer war verreist. Im Urlaub. Die Versicherungspapiere lagen im Handschuhfach.«
    »Glauben Sie, er hat die gleiche Nummer noch mal abgezogen?«, fragte Divine. »Ein Fahrzeug geklaut, um das hier zu drehen?«
    »Wahrscheinlich. Wir müssen die Listen durchsehen. Und sehen Sie mal, ob dem Zeugen zu dem Wagen nicht doch noch was einfällt.«
    »In Ordnung, Chef.«
    »Kevin!«, rief Resnick.
    »Sir?«
    »Wir brauchen schleunigst Kopien von dem Phantombild. Größtmögliche Verbreitung.«
    »Wird gemacht.«
    Während Naylor an die Arbeit ging, suchte Resnick eine Kopie von Reverdys Aussage heraus: Die Adresse in Cheadle war keine Erfindung, wie die meisten routinierten Lügner wusste dieser Mann genau, dass man am besten fuhr, wenn man möglichst nahe an der Wahrheit blieb. Resnick überflog die Seiten auf dem Rückweg in sein Büro und fragte sich, ob diese Aussage irgendeinen Hinweis enthielt, der sie auf den richtigen Weg führen würde, ehe es zu spät war.

50
    Lynn war mit dumpfen Kopfschmerzen erwacht, im Mund einen Geschmack, als hätte man ihn mit einem Reinigungsmittel ausgespült. So jedenfalls stellte sie sich vor, dass solches Zeug schmeckte. Wahrscheinlich war es der Geruch. Bei dem Gedanken krümmte sich ihr ganzer Oberkörper in heftigem Krampf, und sie musste sich übergeben. O Gott, ihr Bein war auf der Innenseite ganz feucht. Als sie hinunterblickte, sah sie, dass es nackt war. Die Kopfschmerzen ließen sich jetzt genauer lokalisieren, ein beständiges Stechen, das von einer Stelle hoch oben am hinteren Teil des Schädels ausging. Ihre Augen brannten und tränten, und von ihrem Mund zog sich ein Speichelfaden über ihr Kinn. Sie wollte eine Hand heben, um ihn wegzuwischen, aber natürlich waren ihre Hände gefesselt. Als sie ihre nach hinten gezogenen Arme schüttelte, erkannte sie das metallische Klirren von Handschellen.
    O Gott!
    Sie zwinkerte ein paarmal, um einen klaren Blick zu bekommen.Sie befand sich in einem Wohnwagen, war in einer Ecke fixiert. Irgendetwas, was an den Handschellen festgemacht war – eine Kette, vermutete sie, sehen konnte sie es nicht, sosehr sie sich auch bemühte, den Kopf zu drehen   –, engte sie so ein, dass sie sich nur Zentimeter nach dieser oder jener Seite bewegen konnte. Sie hatte nur noch ihr Baumwollhemdchen und ihren blauen Schlüpfer an, Gänsehaut und, wie der Schleimpfad einer Schnecke, die Schlieren ihres Erbrochenen überzogen ihre Beine. Wenigstens, dachte sie, habe ich daran gedacht, was meine Mutter immer über Unfälle und Unterwäsche gepredigt hat. Man kann nie wissen   … Aber sie wusste, dass dies kein Unfall war.
Oh , ich glaube nicht an den Zufall
. Sie begann plötzlich zu zittern und wurde von Tränen überrascht.
     
    »Ah, du bist wach.« Michael stand an der Tür, ein Tablett auf einer Hand

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