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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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über den Platz schweifen, ein Marktflecken im Gerberviertel von Thax. Über zweihundert Weißstirne hatten sich versammelt, um den neuen Hohepriester zu empfangen. Sie knieten auf dem Boden, den Blick auf Nhordukael gerichtet.
    Es war das erste Mal seit Magro Farghs Tod, dass Nhordukael nach Thax ritt. Noch immer war die Lage in der Hauptstadt unsicher. Zwar waren die südlichen Viertel fest in der Hand der Weißstirne, doch im Nordteil der Stadt kam es weiterhin zu Kämpfen mit kaiserlichen Soldaten und Tempelrittern. Der Kampf der Weißstirne, der inzwischen sogar von einigen Adeligen aus dem Umland unterstützt wurde, war zum Bürgerkrieg geworden. »Der Auserkorene …«, wiederholte Nhordukael leise. Seine dunkelgrauen Augen waren auf Drun gerichtet. »Ja, Tathril hat mich auserkoren; doch mein Kampf beginnt erst. Ich habe viele Feinde, selbst hier in Thax.« Druns Augen blitzten auf. »Der falsche Hohepriester Bars Balicor wird nicht mehr lange unseren Glauben besudeln. Noch heute werden wir den entweihten Tempel bis auf die Grundmauern niederreißen. Diesmal wird uns die Tempelgarde nicht zurückhalten können. Über die Hälfte der Ritter sind zu uns übergelaufen!« Nhordukael zog seine Hand zurück. »Bars Balicor steht mit dunklen Mächten im Bunde. Er will die Kirche in einen Hort des Bösen verwandeln. Ihr müsst ihn vernichten!«
    Drun ballte die Fäuste. »Das werden wir! Tathril stehe uns bei in diesem Kampf.« Ehrfurchtsvoll verneigte er sich vor Nhordukael und schritt zurück, die Augen weiterhin auf den Hohepriester geheftet. Nhordukael wandte sich um. Eine Gruppe Tempelritter wartete auf ihn; sie hatte sich ihm als Leibgarde angeboten. In den Augen der Ritter glänzte derselbe Fanatismus, den er in Druns Gesicht gesehen hatte.
Vor wenigen Wochen kannten sie nicht einmal meinen Namen. Heute verehren sie mich als ihren Hohepriester, als den Auserkorenen! Wie kann der Glaube die Menschen so blind machen?
Er musste sich beherrschen, um nicht in Gelächter auszubrechen.
Die Kirche schart sich um ihr neues Oberhaupt und glaubt in ihm den Weltretter gefunden zu haben. Alles verläuft so, wie Magro Fargh es geplant hat - mit dem winzigen Unterschied, dass er den Krieg gegen die Goldei selbst nicht miterleben wird. Ich habe ihn besiegt, und ebenso werde ich Bars Balicor besiegen.
Er blinzelte in den grauen Winterhimmel.
Siehst du auf mich herab, Tathril? Siehst du, wie dein ›Auserkorener‹ sein Werk beginnt? Auch dich werde ich besiegen, du jämmerlicher Gott, du lächerliches Phantom! Dich werde ich zertrümmern, dir werde ich die Maske herunterreißen, damit alle Welt dein wahres Gesicht erblickt.
    »Tathril behüte Euch, Hohepriester«, hörte er eine Stimme rufen. Ein untersetzter Mann schob sich durch die Reihen der Tempelritter, ein wohl sechzigjähriger, langnasiger Priester mit Halbglatze und kühnem Schnurrbart. Es war kein Geringerer als Alplaudo Carxives, der Kurator von Vara. Vor zwei Tagen war er zum Brennenden Berg gekommen, um Nhordukael die Treue zu schwören. Carxives galt als dritthöchster Priester der Kirche, denn in der einstigen Kaiserstadt Vara stand der Erhabene Dom, der bedeutendste Tempel des Tathril. »Ihr solltet nicht hier sein, Eure Heiligkeit«, sagte Carxives, als er an Nhordukaels Seite trat. »Diese Stadt ist umkämpft. Es ist besser, wenn Ihr nach Arnos zurückreitet.«
    Nhordukael lächelte. »Ich musste nach Thax kommen, um jenen, die seit Wochen für mich kämpfen, Mut zuzusprechen.«
    »Es sind tapfere und gottesfürchtige Menschen«, gab Carxives zu. »Ich hoffe, sie werden den Tempel endlich erstürmen. Es wird Zeit, dass Bars Balicor verhaftet und eingekerkert wird.« Er setzte eine ernste Miene auf. »Ihr wisst, dass Eure Erhebung umstritten ist. Laut Gesetz ist Bars Balicor der rechtmäßige Nachfolger Magro Farghs. Viele Tempel im Silbermeer und in Troublinien haben sich für ihn ausgesprochen.« Nhordukael musterte Carxives. »Warum nicht auch Ihr, Kurator?«
    Entrüstet schnaubte der Priester auf. »Weil Ihr der Auserkorene seid, Nhordukael! Das Wunder sprach eine deutliche Sprache. Wie ein Lauffeuer hat sich die Kunde von Eurer Rettung aus der glühenden Bronze verbreitet. Und als Magro Fargh Euch zu seinem Nachfolger bestimmte, gab es für mich keinen Zweifel mehr.« Er blickte Nhordukael freundlich an. »Als ich vorgestern nach Arnos kam, spürte ich die Macht der Quelle. Sie ist wie verwandelt! Sie fügt sich willig Eurer Herrschaft, und ich konnte

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