Nebelriss
anzutun.«
»Nein, das würden sie nicht wagen«, erklang eine Stimme aus dem Hintergrund. Die drei Adeligen fuhren herum. Sie erblickten den Kaiser. Er stand am Treppenaufgang - allein, ohne jede Begleitung. Auch heute trug er sein schwarzes Kaufmannsgewand; es war stark zerknittert und verschmutzt. Zudem hatte Akendor sich seit Tagen nicht rasiert; ein dunkler Flaum bedeckte Wangen, Kinn und Hals. »Sie würden nicht gegen Torsunts Sohn die Hand erheben, und falls doch, wäre es ihr Ende! Dann würde ich sie aus Thax hinausjagen und den Silbernen Kreis ein für alle Mal auflösen.«
Arkon und Perjan wechselten beunruhigte Blicke. »Ihr solltet vorsichtig mit solchen Äußerungen sein«, stieß Arkon hervor. »Die Fürsten könnten sie missdeuten!«
Akendor lachte auf. »Niemand wird mir jemals mehr den Mund verbieten - auch Ihr nicht, Fürst Arkon! Ich habe lange genug geschwiegen, habe all die Jahre das Maul gehalten, während der Silberne Kreis mein Leben verpfuscht hat.« Er trat an Jundalas Seite und blickte zur Brücke hinab. »Dort unten seht Ihr die Ernte Eurer Herrschaft! Das Volk rennt in fanatischem Hass gegen den Palast seines Kaisers an. Es hasst mich, und das verdanke ich den Fürsten - Euch allen!«
Perjan Lomis schüttelte empört den Kopf. »Wir sind es, die Euch in den letzten Wochen verteidigt haben, Majestät. Wir haben all Eure Schritte und Erlasse mitgetragen! Selbst Eure Verlobung mit diesem Mädchen haben wir …«
»Dieses Mädchen«, unterbrach ihn Akendor scharf, »wird bald Eure Kaiserin sein, also überlegt Euch, was Ihr sagt.« Er blickte trotzig zu Jundala Geneder hinüber, doch sie wich seinem Blick aus. Akendor wandte sich ab und holte eine Schriftrolle aus der Tasche. Er überreichte sie Arkon. »Dieses Schreiben erreichte Thax vor zwei Stunden, ein Brief aus Fareghi. Ich möchte Eure Meinung dazu hören.«
Arkon entrollte das Pergament. Seine Augen weiteten sich, während er die Zeilen des Schreibens überflog. »Ultimatum an Akendor Thayrin, Kaiser von Sithar, und an die Fürsten des Thronrates«, las er vor. »Hiermit erhebt das Königreich Fareghi Anspruch auf die Inseln Morthyl und Thaira, auf den Swaaing-Archipel sowie auf die Inseln Vrynn, Vodtiva, Strega, Tula und Pendekowin. Der König auf Fareghi fordert die Fürsten des Silbermeeres - namentlich Scorutar Suant, Ascolar Suant und Perjan Lomis - hiermit auf, sich umgehend seiner Macht zu beugen und ihre Fürstenketten abzulegen. Der König auf Fareghi fordert weiterhin Akendor Thayrin auf, das Königreich im Silbermeer anzuerkennen, ihm den Friedens- und Freundschaftsschwur zu leisten und für alle Zeiten auf die abgetretenen Inseln zu verzichten.« Fassungslos blickte er auf. »Unterzeichnet: Eidrom von Crusco, König auf Fareghi, König des Silbermeeres!«
Perjan Lomis starrte Arkon entgeistert an. »König des Silbermeeres? Wer ist dieser Wahnsinnige?« Jundala dachte angestrengt nach. »Eidrom von Crusco … ich kenne diesen Namen. Ein kathygischer Baron, zuletzt Herr über das Rochenland, berüchtigt für seine Grausamkeit gegenüber der dortigen Bevölkerung.« »Aber das ist unmöglich«, schrie Perjan Lomis. »Wie kommt ein kathygischer Baron nach Fareghi? Und wie in aller Welt kann er die Insel im Handstreich einnehmen?«
»Ein Irrer, ganz ohne Zweifel«, zischte Arkon Fhonsa. »Wer sich zum König des Silbermeeres ausruft, muss größenwahnsinnig sein.« Er wandte sich Akendor zu. »Es kann nur Zauberei hinter diesem Anschlag stecken! Die Zauberkunst der Goldei hat die Kathyger nach Fareghi geführt. König Eshandrom hat sein Haupt vor den Echsen gebeugt; nun sendet er in ihrem Auftrag seine Soldaten gegen uns!«
»Wir dürfen das nicht dulden«, rief Perjan Lomis. »Lasst uns die gesamte Flotte nach Fareghi entsenden, um diesem selbst ernannten König zu zeigen, was wir von seinem Ultimatum halten!«
»Der Großteil unserer Kriegsschiffe liegt nahe Vodtiva und Swaaing vor Anker, den suantischen Fürstentümern«, erinnerte Arkon Fhonsa ihn. »Scorutar wird sich weigern, sie von dort abzuziehen. Noch ist er Befehlshaber der kaiserlichen Flotte.«
»Dann müssen wir ihm dieses Amt entziehen«, sagte Perjan Lomis entschlossen. »Auf die Familie Suant ist kein Verlass in diesen Tagen.«
Akendor zögerte. Er blickte zu Jundala Geneder herüber. »Was meint Ihr dazu, Fürstin?«
Jundala zog die Stirn in Falten. »Ihr habt Scorutar und Binhipar in den vergangenen Wochen zahlreiche Machtbefugnisse
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