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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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Chance bekommen. Ja, Gudrun wird dem Kommissar von ihren Zweifeln erzählen, zumindest erzählen, was ihr aufgefallen ist und ihm das weitere Vorgehen anheimstellen.
    Sie druckt Valentins Mail aus und packt den Papierbogen in ihre Handtasche, zieht ihr Sakko über und tritt vors Haus, atmet tief ein. Die Vormittagssonne wärmt ein wenig, Schmetterlinge tanzen über den Staudenbeeten. Drüben beim Teich steht die kleine Rosenkranz, ihre Hände um Onkel Hermanns Rollstuhl gekrallt. Offenbar weiß sie nicht, wie sie das Gefährt arretieren kann. Unschlüssig nickt sie herüber, signalisiert mit einer ungelenken Geste, dass Hermann eingeschlafen ist.
    Gudrun müht sich, eine ausgeglichene Miene zu zeigen, und geht hinüber. »Überlassen Sie meinen Onkel ruhig seinem Pfleger«, flüstert sie. »Gehen Sie wieder an Ihre Arbeit.«
    Die Rosenkranz wirft einen unschlüssigen Blick auf Hermann. »Okaaay.«
    »Wieso sind Sie überhaupt mit ihm hier?«
    »Er wollte es so.«
    Gudrun wundert sich. Aber ein bisschen Anerkennung sollte sie demonstrieren. Der alte Mann hat nun mal einen Narren an der Kleinen gefressen. »Nett von Ihnen«, sagt sie. Da fällt ihr ein, dass sie die neue Mitarbeiterin ohnedies fragen wollte, wo all die schönen alten Fotos aufgetaucht sind.
    »Das war purer Zufall«, antwortet die Rosenkranz und erzählt wortreich von einer Katzenzungenschachtel, die zwischen zwei Regalen eingeklemmt gewesen sei. Die sei ihr aufgefallen, als sie einen Ordner mit altem Werbematerial herauszog. Sie habe nämlich gehofft, in so einem Behältnis könnten die Originalrezepte liegen.
    »Die Originalrezepte? Ich fürchte, die finden wir nie«, sagt Gudrun, beschließt im Stillen, dass die Rosenkranz nun endlich auch die Aufgaben übernehmen sollte, deretwegen man sie eingestellt hat. Zumal niemand wissen kann, ob solche Fundsachen an familiären Belangen rühren, die niemanden etwas angehen.
    »Tja, ich zieh dann mal«, sagt die Rosenkranz.
    »Warten Sie!« Gudrun nickt ein paarmal verbindlich. »Ich möchte Ihnen danken, dass Sie sich so freundlich um meinen Onkel kümmern. Ich selbst komme dieser Tage ja nicht dazu. Es ist sicher nicht die Art von Arbeit, die Sie sich bei uns vorgestellt haben.«
    »Och, ist schon okay. Ihr Onkel ist so ein netter Mensch, macht Spaß, mit ihm zu reden. «
    Spaß? Gudrun ist verblüfft. Doch als sie den bedauernden Blick auffängt, mit dem die Rosenkranz ihre Baumwolltasche mit dem Firmenlogo vom Griff des Rollstuhls nestelt, ist sie überzeugt. Lächelt, nickt, greift nach dem Rollstuhl.
    »Wissen Sie, was mich erstaunt?«, fragt die Rosenkranz amüsiert und wendet sich im Gehen nochmals um. »Dass Ihr Onkel sogar im Schlaf total aufrecht sitzt. Andere Leute kippen zur Seite oder lassen wenigstens den Kopf baumeln.«
    »Ja, das ist eine Besonderheit der Hepp-Dynastie.« Gudrun freut sich. Ist es nicht das erste Mal, dass es auch einer Fremden auffällt? Speziell die männlichen Familienvertreter, so heißt es, verfügen von jeher über die Fähigkeit, in vollendeter Haltung zu schlafen. Eine geringe Stabilität im Rücken und ihre Wirbelsäule scheint sich bis hinauf zum obersten Lendenwirbel zu verfugen. Unter verschwägerten Angehörigen wurde darüber gelästert, dass die drakonische Erziehung der Vorväter dahinterstecke. Bis der überaus verwöhnte Valentin, kaum zwölfjährig, die gleiche Fähigkeit bewies. Und als er bei seiner Konfirmationsfeier recht angetrunken einschlief …
    Vali! Gudrun sträuben sich die Nackenhaare. Mit einem Mal ist ihr klar, was an dem »lusdische Foddo«, das Frau Fried für sie ausgedruckt hat, nicht stimmt. Es zeigt ihren Neffen wie eine schnurlose Marionette, halb gegen die Banklehne gesunken, halb über seinem Rucksack kauernd. Nicht nur, dass Valentin sich ungern in solcher Verfassung ablichten lassen würde. Nicht nur, dass er kaum je ein solches Foto von sich verschicken würde. Nein, wenn Valentin so da hing, dann konnte er nur ohnmächtig sein.
    Oder tot.
     
    Bunte Schatten flattern um sein Bett. Ahoj, sagen sie. Lächeln. Dann beginnt eine Seefahrt. Blau. Alles hellblau. Und uringelb. Meer und Abwasserkanal. Fluten. Wellen. Alles schaukelt, hebt ab, die Wände, die Fenster. Die Schatten kreisen. Dann Häuser, Bäume, Himmel, alles kreist und schaukelt. Außer Valentin. Sein Körper klebt wie eine Galionsfigur auf dem Schiff fest. So fliegt Valentin dahin, unter uringelben Lichtern den Weißschatten entgegen. Und sagt Ahoj. Und lächelt den

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