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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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Gnädigsten – das dunkelhaarige kleine Mädchen herein, das Hans-Bernward aus dem Bunker gelotst hatte. Es weint herzerweichend, windet sich. Die Blondine steht mit einer Zwangsjacke bereit.
    Hans-Bernward packt die Wut. Wozu hat man so viele Kilo, wenn man sie nicht einsetzt für das Wohl seiner Mitmenschen! Die Italo-Western mit Bud Spencer fallen ihm ein. Die hat er sich mehrfach angeschaut. Wie ging das noch? Sich aufrichten, so gut das mit dem Stuhl am Hintern möglich ist, dann lospreschen, auf den Gegner zu … ihn umrennen … einfach so umrennen. – Siehe da, Hans-Bernward kann es auch. Trotz Ischias!
    Der Pfleger schlägt rücklings hin, bleibt jaulend liegen. Der zweite Wärter nähert sich, eine Spritze in der Hand und einem kriegerischen Brummen auf den Lippen, doch Hans-Bernward dreht ihm den Rücken zu, rammt ihm die Stuhlbeine in den Bauch, dass zwei davon ausbrechen.
    Der Aufschrei, der folgt, verrät, dass nicht nur der Bauch getroffen sein kann.
    »Gestatten?«, sagt Hans-Bernward und nimmt dem Kerl die Spitze ab, fixiert die Nurse, geht entschieden auf sie zu. Die lässt die Zwangsjacke fallen, weicht zurück, er springt sie an, rammt ihr die Spritze in den Busen und drückt ab. Sie schreit auf, fasst sich an die Brust, taumelt zu ihrem Telefon, nimmt den Hörer ab – und sinkt um.
    Das Schauspiel ist offenbar interessanter als Reality-TV. Eine Schar Heimbewohner steht in der Tür zum Büro und staunt. Aus dem Hörer quäkt die verwunderte Stimme von Westenberger: » Hi, Anna, everything okay?«
    »Ahoj-ahoj! Jo tak jo!« , brummt Hans-Bernward und legt auf. Gleich neben dem Telefon liegt eine große Papierschere. Die ergreift er mit der Rechten, versucht, das Kofferband durchzuschneiden.
    Der maulfaule Wärter kommt ihm prompt zu Hilfe.
    Überrascht reicht ihm Hans-Bernward die Zwangsjacke und macht eine Kopfbewegung, die andeutet, er möge seine Chefin damit bekleiden.
    Was der gewissenhaft erledigt.
    Der andere rappelt sich auf, sammelt die Stuhlbeine ein und legt sie vor Hans-Bernward hin wie eine Opfergabe.
    Der korrigiert seine Einschätzung. Der IQ der beiden liegt allenfalls addiert bei sechzig.
    Sein Blick fällt auf das Mädchen. Mit erhobenen Händen steht es da, schnieft. Seine Umhängetasche liegt abseits auf dem Boden. Offenbar traut es sich nicht, sich zu bücken und sie aufzuheben.
    Das tut Hans-Bernward für sie, kann indes seine Neugier nicht bezähmen und wirft einen Blick hinein. Findet den bekannten Kompass, ein paar Stifte und ein Schulheft, ein zerstückeltes Schachbrett und den Ausriss eines Stadtplans von Mainz. Markiert ist ein Haus im Kaiser-Wilhelm-Ring. Wohnt dort nicht die Rosenkranz?
    Hans-Bernward hält sich an die Losung des Tages, die da lautet: Man muss nicht alles verstehen, um das Richtige zu tun. »Komm, kleines Mädchen. Bring mich zurück. Bring mich dorthin, wo du mich gefunden hast. Dann suchen wir zusammen eine gewisse Frau Rosenkranz. Du kennst sie, nicht wahr?«
    Das Mädchen greift nach seiner Tasche, schultert sie und geht wie traumversunken voran. »Ahoj-ahoj, tak jo tak jo«, ruft Hans-Bernward der Gruppe an der Tür zu, was ein vielstimmiges Gekicher auslöst.
    Die beiden Wärter sammeln alle ein, drängen die Frauen und Männer, Hans-Bernward zu folgen. Und bilden selbst die Nachhut der Prozession.
     
    Wer eine gefühlte Ewigkeit lang, gefesselt und den Tod vor Augen, in einem Kühlraum verbringt, der stellt sich unter anderem die Frage, was er im Leben hätte besser machen können. Bei Karo kommt da einiges zusammen.
    Lieber Gott, schwört sie, wenn ich heil aus der Nummer rauskomme, rufe ich meine Eltern wenigstens einmal die Woche an, gehe jeden Heiligabend in die Kirche … und jage keinem abgefahrenem Kram mehr nach, sondern kümmere mich um Themen, die dir gefallen, soziale Themen, zumal die ja buchstäblich auf der Straße liegen. – Ich könnte zum Beispiel ein Feature zum Thema geistig Behinderte und ihre Unterbringung in Heimen schreiben. Eine dolle Geschichte, die ich dann dem Spiegel anbiete, dem stern, dem Focus … Gegen hohe Auflagenzahlen hast du wohl nichts einzuwenden, lieber Gott? – Okay, okay, vielleicht sollte ich weniger auf Karriere setzen als auf die richtigen Freunde …
    Freunde? Was für eine Ironie des Schicksals, dass sich just bei dem Gedanken an ihren spärlichen Freundeskreis die Tür zu ihrem Gefängnis öffnet und Kollege Alex hereinkommt! Begleitet von bewaffneten tschechischen Polizisten und diesem

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