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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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erklären, weshalb er ihren Liebhaber niedergeschlagen hat?
    Hans-Bernward de Beer versucht es nicht erst, vermerkt nur leise: »W-wir müssen hier raus! Schnell! Man will uns umb-bringen.«
    »Was?« Sie scheint rein gar nichts zu begreifen, kauert vor ihrem Freund wie die kleine Meerjungfrau vor ihrem toten Prinzen, spricht auf ihn ein: »Rick, Rick, wach auf!« Sie beginnt zu schluchzen.
    »Ihr Freund ist nur b-bewusstlos. Wir müssen fliehen. Alle vier.«
    »Er ist nur bewusstlos«, wiederholt sie, als sei dies die Quintessenz des Tages. Dann blickt sie sich um: »Vier?«
    Hans-Bernward präsentiert ihr den Rücken: »G-gestatten, Valentin Hepp. Er m-muss in ein Krankenhaus. Sonst stirbt er.«
    Das wirkt. Die Rosenkranz springt auf, tritt in den Flur, klimpert mit den feuchten Wimpern und deutet nach rechts. »Hier, hier – ja, hier sind wir hergekommen.« Sie klemmt sich die Taschenlampe zwischen die Zähne, fasst ihren Freund unter den Achseln und schleift ihn über den Boden, kommt aber, wie ein Ackerpferd schnaubend, keine drei Meter weit.
    Hans-Bernward schätzt den muskulösen jungen Mann gut zehn Kilo schwerer ein als den bis auf die Knochen abgemagerten Vali. »Wir tauschen«, kommandiert er, bindet seinen Neffen los, nimmt stattdessen diesen Schnösel namens Bruss unter den rechten Arm, dessen Smartphone, das nun als Taschenlampe dient, in die linke Hand und geht los.
    »Huaaa, der ist ja eiskalt«, stöhnt die Rosenkranz, als sie Valentin Hepps nackte Brust umarmt und fortschleift. Dessen Fersen scharren über den Boden.
    »So geht’s nicht«, befindet Hans-Bernward, schleppt erst Vali, dann den Laborkollegen, dann wieder Vali ein paar Meter voran, überlässt der Rosenkranz die Leuchte, bis sie gemeinsam eine Art Diele mit zwei leeren Türfüllungen erreichen, in die ein wenig Tageslicht fällt. Auf halber Höhe ein Schaltkasten mit glimmendem rotem Lämpchen.
    »Rechts oder links?«, fragt Hans-Bernward.
    »Ja.«
    »Was heißt ›ja‹?«
    »Keine Ahnung. Ist so verrückt verwinkelt hier.« Sie deutet auf ihren Freund. »Aber er weiß es. Er hat nämlich einen grandiosen Orientierungssinn.« Sie beugt sich über ihn, tätschelt ihm die Wange. »Rick, Süßer, wach auf!«
    Umsonst. Sie tippt ein paarmal auf ihr Handy. »Auch hier kein Netz.«
    Hans-Bernward wird ungeduldig. »Herr Hepp kann nicht warten. Ich versuche es links. – Wenn ich nicht bald zurück bin, stimmt die Richtung und Sie können uns folgen, sobald Ihr Freund aufwacht.«
    Sie nickt. Überlässt ihm – erst zögerlich, dann entschieden – Ricks Taschenlampenhandy. »Damit können Sie draußen einen Notruf starten. Und auch gleich die Polizei rufen.«
    »Und Sie?«
    »Hab selbst ein Handy – mit immerhin leuchtendem Display. – Gehen Sie schon! Viel Glück.«
    »Ihnen auch viel Glück!«
    Hans-Bernward bindet sich Vali wieder huckepack auf den Rücken und geht los, gelangt bald in eine bunkerähnliche Anlage mit unverputzten Wänden und rauem Estrichboden, der in die Fußsohlen piekt. Tapfer taumelt er weiter, fragt sich, ob die Anlage einmal als Unterschlupf bei einem Atomkrieg gedacht war.
    Unvermittelt mündet der Flur in einen Gewölbekeller, nach alter Bauweise aus Sandstein gemauert und modrig riechend. Er beherbergt eine Tiefkühltruhe und einen Stapel Bierkästen. Pilsener Bier! Hans-Bernward kann nicht widerstehen, öffnet eine Flasche mit den Zähnen und trinkt sie aus … fährt vor Schreck zusammen, als ein Mädchen mit weißlich schillerndem Polyesterkleidchen und grüner Umhängetasche aus einem Torbogen tritt. Sie schaut ihn nicht an, wandelt wie ein Gespenst an ihm vorbei, scheint von dem Flur angezogen, durch den er gekommen ist.
    »Ahoj, little girl, please show me the way out«, ruft er. Sie dreht sich um, sieht verständnislos an ihm vorbei.
    »Bitte zeig mir den Weg raus! Bitte!« Er würde glatt vor diesem Engelchen auf die Knie sinken, wenn Vali damit nicht automatisch am Boden aufschlüge.
    Sie kehrt tatsächlich um, starrt dabei mit einem Auge auf einen Kompass, den sie in beiden Händen hält, geht eine Treppe hinauf. Er folgt ihr.
    Träumt er? Da zweigt seitlich eine vergitterte Halle ab, aus der es stinkt wie aus einer Zoohandlung. Er späht hinein, macht in der Dunkelheit Betten aus, die beiderseits an den langen Wänden aufgereiht sind, acht oder neun Betten könnten es sein. Gitterbetten. In den zuvorderst stehenden erkennt er zwei unglückliche Gestalten in schmutzigen Hemden, eine schläft, eine

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