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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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mir in der Loge sitzt. Und Hans-Bernward. Und Vali, wenn er endlich von seiner Kinderfreizeit zurück ist. Ich habe nicht gesagt, dass der Pomadenheini bei mir sitzen soll.
    Spät ist er gekommen. Die Musiker hatten ihre Instrumente gestimmt, der Dirigent die Bühne betreten, da ist dieser grässliche Mensch durch die Tür in die Loge gestürmt. »Guten Abend, wie geht es denn dem werten Befinden?«, hat er gefragt. – Blöder Kerl! Und hat sich beschwert, weil Gudrun nicht die Halskette trägt, die er ihr geschenkt hat. Als ob sie nicht tragen kann, was sie mag. Ha, da hast du dich im Rollstuhl aufgerichtet, hast den Kopf gehoben und, so gut es ging, auf ihn in seinem Logensessel herabgeblickt. Hast ihm fest auf die Stelle zwischen den Augen gesehen und verkündet, dass Gudrun auf deinen Wunsch hin die Kette ihrer lieben Großmutter trägt. Da war er still, der Pomadenheini. Das hast du gut gemacht, Hermann.
    Also bleib ruhig, lehn dich zurück und genieße das Konzert. Gudrun spielt Liszt. Ja, Liszt! Wie schön sie ist. Hat die sonst so streng frisierten Haare heute locker aufgesteckt. Solch eine Frisur sollte sie immer tragen … und bald heiraten … Hans-Bernward heiraten … Die beiden sind so jung, haben noch ihr halbes Leben vor sich!
    Schließ die Augen, Hermann! Diese ruhige, melodische Passage … sie atmet das Paradies. Sie atmet unsere Kindheit in Eden.
    Wenn ich an die glücklichen Kindertage zurückdenke, dann ist immer Sommer – immer nur Sommer. Keiner wie dieser mit Dunstschleiern über der Landschaft und dem Gemüt. Sondern mit hohem blauen Himmel und Schäfchenwolken, mit warmer Erde unter den nackten Füßen und duftender Schafgarbe am Chausseegraben. Weißt du noch, wie wir uns versteckt haben vor der quengelnden kleinen Heidemarie? Damals, als das Versteckspielen noch Spaß gemacht hat … Wie wir unter dem Speierlingsbaum im Chausseegraben kauerten. Wie die Blätter im Wind rauschten und die Luft um uns so voller Spannung und Verheißung war wie das Leben selbst, das uns erwartete. Du wolltest Koch werden, Koch in einem feinen Restaurant. Nur ich, ich hatte noch keine Pläne, außer dass ich ein Mädchen mit rotbraunen Zöpfen namens Gerti heiraten wollte. »Kellner!«, hast du gesagt. »Werde doch Kellner, dann können wir zusammen arbeiten.« – »Ja, genau, Kellner!«, habe ich gerufen, denn ein Leben ohne dich mochte ich mir nicht vorstellen – nicht vorstellen …
    Die Luft ist trüb und schmutzig geworden. Am Himmel dröhnen fortwährend Flugzeuge. Statt des Winds in den Bäumen rauscht die Autobahn. Ich bin das Versteckenspielen leid, Hermann. Lass uns heimgehen, zu unserer lieben Mutter gehen … Lass uns … endlich … gehen …
     
    Sie ist schon ein verrücktes Huhn, sag ich Ihnen! Hübsch, aber verrückt wie ihr Name: Karoline Rosenkranz – da bricht doch jede automatische Spracherkennung ein!
    »Ist schon gut, Alex«, sagt sie und tätschelt mir die Hand, als ich ihren Wagen heimwärts steuere und ihr erzähle, was mein Freund, Kommissar Kosciuschko, unterdessen herausgefunden hat. Dass nämlich Richard Bruss, gebürtiger Tscheche und unehelicher Sohn von Westenberger, eine Weile als Callboy und als Hehler im Sprengstoffgeschäft tätig war. Dass Vater und Sohn vor circa einem Jahr Kontakt aufgenommen und das Ganze angezettelt haben. Dass Westenberger dabei seine Stellung im Unternehmen Hepp missbraucht hat, heimlich ein Nebenprojekt mit Diätprodukten aus Hühnerzeug gestartet und obendrein ein Familienrezept unterschlagen hat, in der Annahme, damit Geld machen zu können …
    »Ach, das Rezept hatten sie auch?«, fragt sie und starrt in den Nieselregenschleier vor der Windschutzscheibe.
    »Warst du etwa in den Typ verliebt?«, frage ich.
    »Quatsch, alles oberflächlich, reine Sexbeziehung.«
    Und als ich dann ausführe, wie Sohn und Vater auf die Idee gekommen sind, erwachsene und elternlose Behinderte erst zu päppeln und dann als Versuchspersonen für Abnehmpülverchen zu missbrauchen, da betrachtet sie liebevoll die kleine Mira, die still im Fond sitzt und ein zerstückeltes Schachbrett zu einem Stapel fügt. Dann, wieder zu mir gewandt, rollt meine verrückte Kollegin die Augen und sagt, dass es Diätmahlzeiten heißen müsse. Und ich dürfe in meinem Artikel keinesfalls Abnehmpülverchen schreiben, denn das wäre unwissenschaftlich und Herr de Beer werde dann wohl eine Gegendarstellung erwirken.
    Dabei liegt dem armen de Beer unter Garantie nichts ferner. Wegen

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