Nebenan: Roman
Gesteinsbrocken und fiel krachend zu Boden.
Der Inquisitor riss die Waffe hoch.
»Was geht da vor sich?«, fragte Nöhrgel barsch, während er sah, wie sich ein Gitterwerk feiner Risse über die Wand zog, in der einmal das Tor nach Nebenan gewesen war.
»Die Trolle!« Matzi drehte sich auf seinem Sessel um und hatte offensichtlich den Ärger über seinen abrasierten Bart vergessen. »Als wir vom Überfall auf den Dom gehört haben, hat Laller Rölps und seine Gefährten gerufen. Sie sollten hierher kommen, um im Ernstfall das Tor zu verteidigen. Sie hatten uns wahrscheinlich schon fast erreicht, als die Verbindung abriss, weil das Tor demontiert wurde.«
Nöhrgel erschauerte bei der Vorstellung, was geschehen musste, wenn ein Tor zerstört wurde, während man sich in dem magischen Tunnel befand, der sich durch Zeit und Raum erstreckte. Es gab wohl kaum eine Kreatur, die das überleben konnte. Ohne den Schutz, den Magie und Heinzelmänner-Hightech gewährten, war man den Geschöpfen, die in der ewigen Dunkelheit lauerten, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Es gab etwas jenseits der Geschöpfe der Märchen- und Sagenwelt. Bösartige Kreaturen, die erst zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts aufgetaucht waren, um die Wurmgänge zwischen den Toren zu bedrohen und nach Schlupflöchern in die Welt der Menschen zu suchen. Manch ein Weiser unter den Heinzelmännern war übrigens der festen Überzeugung, ein amerikanischer Autor habe diese Ausgeburten der Finsternis heraufbeschworen. War man dieser Gefahr entronnen und bewegte sich durch den gewachsenen Fels auf dem letzten Stück des Tunnels, so würde man bei einem Kollaps der Torverbindung lebendig im Gestein eingeschlossen.
»Alles verlässt den Kommandoraum!«, befahl Nöhrgel mit lauter Stimme, als ein weiterer Stein aus der Wand fiel. Allein die alten Götter mochten wissen, was dort versuchte seinen Weg zu ihnen zu finden. Das plötzliche Abschalten all der komplexen Gerätschaften, die von dieser Seite her das Tor offen gehalten hatten, konnte zu katastrophalen Verschiebungen im Gefüge von Zeit und Raum geführt haben. Die Kreaturen, die sich die Menschen für ihre Alien-Filme ersonnen hatten, waren die reinsten Kasperle-Puppen im Vergleich zu dem, was jenseits der Tore lauerte.
Das Kratzen hinter der Mauer zerrte an ihren Nerven. Matzi war mit den anderen Ratsmitgliedern aufgebrochen, um die Nebenräume nach Nachzüglern abzusuchen.
»Pater Anselmus!«, erklang die befehlsgewohnte Stimme des Inquisitors. »Holen Sie den Weihwasserwerfer aus dem Wagen! Wir wollen den Geschöpfen der Hölle einen gesegneten Empfang bereiten, wenn sie versuchen ihren Fuß auf den Boden des heiligen Köln zu setzen.«
Der junge Priester war erleichtert einen Grund zu haben, sich zurückzuziehen. Der dicke Polizist kauerte bleich hinter einem zerfetzten Ledersessel und richtete seine Dienstwaffe auf die Wand, in der sich immer mehr Risse abzeichneten. Seine Kollegin hatte eine Sonnenbrille aufgesetzt und ihr Haar zu einem dicken Zopf geflochten, damit es ihr nicht ins Gesicht rutschen konnte. Statt mit ihrer Dienstwaffe war sie mit zwei halbautomatischen Pistolen ausgestattet, die offensichtlich aus dem Arsenal des Inquisitors stammten, denn in ihre Läufe waren so fromme Worte wie »Mein ist die Rache« und »Auge um Auge, Zahn um Zahn« eingraviert.
Eine riesige schwarze Faust brach durch die Wand.
»Wartet, bis ihr das Weiße in ihren Augen seht!«, kommandierte der Inquisitor, schlug ein Kreuzzeichen und begann leise ein Hosianna zu summen.
Jetzt brach die Wand endgültig zusammen und eine hünenhafte Gestalt mit Lederjacke und einer überdimensionierten Sonnenbrille schob sich in die Kommandozentrale. Sie schnaubte Staub und feine Gesteinssplitter aus den großen Nasenlöchern. »Rölps sehr sauer!«, grollte seine Stimme markerschütternd wie Lawinendonner.
»Nicht schießen!«, schrie Nöhrgel und sprang aus seiner Deckung. »Den alten Göttern sei Dank! Rölps, du lebst!«
Der Troll blickte missmutig zu dem Ältesten herab, während seine Gefährten hinter ihm den Durchbruch durch die Wand vergrößerten.
»Natürlich leben!«, grollte der Troll. »Wir aus Stein sind! Stein kann uns nix kaputtmachen. Aber wir gar nicht erfreut!« Er wischte sich Staub vom Ärmel. »Meine Jacke ruiniert ist!« Er blickte zu dem Inquisitor und seinen beiden Gefährten und seine Augen glommen hinter den geschwärzten Brillengläsern auf. Der Troll verzog die steinernen Lippen zu
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