Nebenan: Roman
bisschen weit weg von uns?«
Wallerich hatte aus den Augenwinkeln die Ui Talchiu gesehen. Jetzt wird dieser Mistkerl von einem Studenten Neriella bald für sich alleine haben, schoss es ihm durch den Kopf. Es sei denn … Nein, er durfte sie nicht verraten. Das hieße zugleich sein ganzes Volk verraten. Vielleicht gab es ja noch eine kleine Chance, dass die Ui Talchiu den Weg zurück schafften und Nöhrgel über die Pläne des Rates der Dunklen unterrichteten. Wallerich nahm all seinen Mut zusammen. Jetzt würde er wohl den Helden spielen müssen.
»Eure Glühnasigkeit, wenn Ihr es wirklich wissen wollt, wir waren hier, um einige Nussverstecke von Eichhörnchen auszunehmen. Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ein Heinzelmann, der noch seine Sinne beisammenhat, auch nur eine Sekunde seines Daseins damit verschwenden würde, euch hinterherzuschnüffeln? Es ist doch allgemein bekannt, dass ihr Dunklen viel zu dusselig seid, um jemals wieder in die Welt der Menschen zurückzukehren. Übrigens, ich habe gehört, dass die Lorelei es fast geschafft hätte, Euch zu ertränken, Eure Schnupfnasigkeit? Da ich ein Freund gefährdeter Reptilienarten bin, würde ich Euch vielleicht Schwimmunterricht geben, wenn Ihr mich nett darum bittet.«
Aus den Nasenlöchern des Drachen stoben Funken hervor. Zum ersten Mal schwoll seine Stimme zu einem dunklen Grollen an. »Vielleicht sollte ich dich zum Dessert verspeisen, du kleines Großmaul?«
»Nicht, Eure Großartigkeit«, mischte sich Malko ein. »Wallerich ist ein durchtriebener Halunke. Er will von Euch gefressen werden, Eure Erhabenheit, weil er dann nicht mehr ausplaudern kann, was ihn und diese Witzfigur hierher verschlagen hat. Vielleicht planen die Heinzelmänner einen Anschlag auf Euer Leben?« Malko blickte auf die zwielichtige Gesellschaft in der weiten Höhle. »Es sollte mich nicht wundern, wenn hier ein gedungener Meuchler zu Gast ist.«
Der alte Drache bedachte den Heinzelmann mit einem schaurigen Lächeln. »Einen Drachen meucheln? Ich glaube, mit dir geht deine Phantasie durch, Malko. Ich überlass dir die beiden für vierundzwanzig Stunden, um sie zu verhören. Morgen Abend werden sie dann an unserem Festbankett teilnehmen.« Er machte eine kurze Pause und bedachte Wallerich mit einem glutäugigen Blick. »Als mein Hauptgang, versteht sich!«
Dem Heinzelmann rutschte das Herz in die Hose. Zu gerne hätte er noch einmal stolz den Kopf gehoben und sich von dem alten Drachen mit einer erlesenen Beleidigung verabschiedet, aber die Aussicht, sein Leben als ein Abendessen zu beenden, lähmte sein Hirn.
*
»Sie werden reden«, flüsterte Almat. »Wir müssen hier verschwinden, solange noch Zeit dazu ist.«
»Du bist es, der uns um Kopf und Kragen bringen wird«, raunte Oswald zurück und lächelte dabei gleichzeitig in Richtung der Schneekönigin, die sie nicht aus den Augen ließ.
»Ich könnte dieser blöden Ziege die Augen auskratzen. Nennt mich eine zerzauste Räbin! Was wohl passiert, wenn man sie zwingt ein paar Liter Frostschutzmittel zu trinken?«
»Was sagtest du, Kleine?« Die Schneekönigin am anderen Ende des Tischs erhob sich halb von ihrem mit Raureif überzogenen Sitz.
»Ich sagte …«, setzte Gabriela an.
»… dass wir gerne wüssten, was mit diesen beiden kleinen Giftzwergen geschehen wird«, mischte sich Till ein.
»Heinzelmänner«, entgegnete sie frostig. »Die beiden sind Heinzelmänner! Warum interessiert ihr euch für sie? Liegt euch ihr Schicksal am Herzen?«
»Nach der Bekanntschaft mit Malko wohl kaum«, sagte Oswald. »Wir dachten nur, vielleicht könnten wir bei ihrem Verhör behilflich sein. Unser Musiker hat sehr sensible Hände. Und er kann damit durchaus nicht nur die Saiten seines Instruments bedienen, falls Sie verstehen, was ich meine, Eure Hoheit.«
Die eisgrauen Augen taxierten den Raubritter abschätzend. »Soll ich unseren Gastgeber darüber unterrichten, dass Oisin ein Folterkünstler ist? Tut er es mit seiner Musik oder versteht er es auch noch auf andere Weise, jene zu quälen, die so leichtfertig sind sich in seine Gesellschaft zu begeben?«
»Ich wollte nicht mit seinen Fähigkeiten angeben …«, entgegnete der Ritter ausweichend.
»Einer öffentlichen Folterung zuzusehen wäre gewiss unterhaltsamer als dieses endlose Gerede darüber, was wir drüben tun werden, wenn wir ein Tor erobert haben. Ich denke, ich werde unseren Gastgeber fragen.«
Till, der zunächst entsetzt zugehört hatte, starrte nun auf die Wand
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