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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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war ein verregneter Nachmittag und nur wenige Studenten waren unterwegs. Kaum einer gönnte dem Fahrzeug mehr als einen flüchtigen Blick, bevor sie, sich unter den Regenschauern duckend, die von einem böigen Wind über den Platz getrieben wurden, ihrer Wege gingen.
    Nöhrgel war als Erster aus dem Wagen geklettert und er war auch der Erste, der die verlorene kleine Gestalt am Portal des Hauptgebäudes entdeckte. Mit wehendem Bart lief der Älteste zu dem Heinzelmann hinüber. »Luigi!«
    Der Modezar unter den Heinzelmännern schien Nöhrgel überhaupt nicht wahrzunehmen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er zum Himmel und taumelte dabei unsicher von einem Bein aufs andere.
    »Luigi! Was ist hier los?« Der Älteste packte den Schneider beim Kragen seines burgunderroten Gehrocks und schüttelte ihn. »Hörst du mich, Luigi?«
    Langsam klärte sich der Blick des Heinzelmanns. »Nöhrgel?«, kam es schwerfällig über seine Lippen. »Das Elfenbein .. . «
    Der Älteste stieß einen Fluch aus, der ihm einen äußerst missbilligenden Blick des Inquisitors einbrachte. »Sie sind schon hier gewesen! Folgt mir!« Nöhrgel packte Luigi und führte seine menschlichen Gefährten die Treppen hinab bis zum tief unter dem Hauptgebäude verborgenen Bergwerksschacht. Dort fand er den geheimen Zugang zur Zentrale, dem Hightech-Zentrum der Kölner Heinzelmännchen, weit offen stehend. Durch die Öffnung drangen scheppernde Geräusche und ein bedrohliches Knirschen, so als würde Granit über Beton kratzen.
    Der Inquisitor zog eine großkalibrige Pistole unter seinem maßgeschneiderten Jackett hervor und gab Kowalski und Maria ein Zeichen. Auch die beiden Polizisten zogen ihre Waffen. Sie drückten sich rechts und links des Durchgangs an die Wand des Bergwerksschachts.
    »Ich sagte doch, sie sind schon fort«, erklärte Nöhrgel ärgerlich und trat in den Durchgang. Die Höhle am Ende des kurzen Tunnels war in das kalte, unstete Licht defekter Neonröhren getaucht.
    Der abgesetzte Älteste wappnete sich mit Gleichmut. Er ahnte, was ihn in der Kommandozentrale erwarten würde, und dennoch traf ihn der Anblick der Verwüstungen zutiefst. Die Computermonitore waren zerschlagen, der Boden der Höhle mit verbogenen Platinen bedeckt. Die Arbeit von Jahren war nur noch ein Haufen Schrott. In der Mitte des hohen Raumes saßen Matzi und drei weitere Ratsmitglieder auf Ledersesseln mit zerschnittenen Polstern. Sie hielten blanke Rasiermesser in den Händen und lächelten, doch ihre Augen waren starr und ohne jedes Leben. Um sie herum lagen die abgeschnittenen Reste ihrer ehrwürdigen Bärte. Ihre Wangen waren blank rasiert und wund.
    »Aufhören!«, schrie Nöhrgel außer sich vor Zorn. »Hört endlich auf, ihr verdammten Idioten!« Er schüttelte Luigi, den er immer noch am Kragen gepackt hielt, so als sei das, was hier geschehen war, die Schuld des Modedesigners.
    Seine Flüche schienen den unheimlichen Bann gebrochen zu haben, der über den Heinzelmännern lag. Einige blickten auf zu ihm und wirkten, als seien sie aus einem langen Schlaf voller Albträume erwacht. Plötzlich war es totenstill. Nur das unheimliche Geräusch von Fels, der über Felsen scharrte, war noch zu hören.
    »Was ist hier geschehen?« Nöhrgel hatte sich an Matzi gewandt, der verzweifelt auf das Rasiermesser in seinen Händen sah und sich mit der Linken über seine glatten Wangen strich.
    »Der Erlkönig. Er ist mit einem Mann, der Flöte gespielt hat, und einem rothaarigen Mädchen gekommen. Sie hatten das Elfenbein .« Er deutete auf die kahle Wand hinter sich. »Der Albenfürst hat einen Fluch durch das Tor geschleudert, um die jenseitige Pforte in der Colonia zu verschließen. Und dann hat er uns gebeten das Tor abzubauen und wir … wir haben das für eine gute Idee gehalten. Verdammte Knochenflöte! Laller ist ihm dabei am eifrigsten zur Hand gegangen. Sie haben alles hinaufgetragen zu einem Lieferwagen, der direkt vor dem Haupteingang gewartet hat. Der Erlkönig und die beiden anderen trugen orangefarbene Kleider, so wie Bauarbeiter. Niemand hat sie behindert … Und wir haben ihnen noch ihren Wagen beladen. Sie haben das Tor und alles Zubehör mitgenommen. Und Laller. Und zwanzig andere.«
    »Sie werden das Tor an einer anderen Stelle wieder aufbauen!«, mischte sich der Inquisitor ein. »Haben sie irgendetwas gesagt, woraus man schließen könnte, wohin sie gehen werden?«
    »Nein, sie waren sehr …« Aus der Wand hinter Matzi brach ein großer

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