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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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behauptet hatte, er habe die genauen Koordinaten eines sich spontan öffnenden Tores berechnet. Der Graf hatte etwas von Kabbalismus, Freimaurertum und altägyptischer Astrologie erzählt und irgendwie hatten sich damals seine Ausführungen ganz plausibel angehört. Das war der Grund, warum der Erlkönig in dieser Nacht auf einem einsamen Hügel stand und auf ein Wunder wartete.
    Cagliostro streute ein wenig Pulver in die Glut und die Flammen verfärbten sich grün. Baldur, ein Werwolf, der gleichzeitig das Schoßhündchen und den Leibdiener des Grafen abgab, heulte erschrocken auf und verkroch sich hinter dem Umhang seines Herren. Obwohl Baldur in seiner Wolfsgestalt recht eindrucksvoll aussah, legte er ein durch und durch hündisches Verhalten an den Tag.
    Der Erlkönig schnaubte verächtlich. Billige Taschenspielertricks! Das mochte vielleicht reichen, um einen verblödeten Werwolf zu beeindrucken, aber mit wirklicher Magie hatte das nichts zu tun!
    Der Fürst deutete in Richtung des Kläffers und wollte gerade einen bissigen Kommentar abgeben, als ihm Cagliostro energisch auf die Hand schlug. »Lass das! Das mag Baldur nicht. Du kannst von Glück sagen, dass er es nicht gesehen hat. Er ist sensibler, als er aussieht!«
    »Sensibel?« Der Elbenfürst musterte den struppigen Wolf, der seinen Blick nun mit großen blauen Augen erwiderte.
    »Er mag es nicht, wenn man mit Fingern auf ihn zeigt. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber seit ich ihn kenne, haben es schon mindestens zwei Dutzend Leute bereut, auf ihn gezeigt zu haben. Weißt du, es gibt ein sehr hässliches Geräusch, wenn die Fingerknochen zwischen seinen Fängen knacken und …« Der Graf unterbrach sich und sah fast erschrocken zum Feuer. Die grüne Flamme begann zu wachsen.
    »Das Tor!«, rief Cagliostro triumphierend. »Bei den Göttern Ägyptens, es ist vollbracht!«
    Der Erlkönig begutachtete die Flammensäule misstrauisch. Sie war inzwischen mehr als mannshoch und auch gut einen Schritt breit. Deutlich spürte er die magische Aura, die von ihr ausging. Das konnte tatsächlich ein Tor sein. Aber wohin würde es führen?
    »Nun, mein Baumkönig«, der Zauberer lächelte ironisch und deutete auf die Flamme. »Ich würde sagen: Alter vor Schönheit.«
    »Ich möchte Euch nicht um den Ruhm Eurer Tat bringen, Graf. Großmut ist das Privileg der Könige. So gewähre ich Euch, als Erster den Weg in die Freiheit zu beschreiten.«
    Cagliostros Lächeln erstarrte. Sein linkes Augenlid begann zu zucken. »Mich jetzt vorzudrängeln wäre Majestätsbeleidigung. Ihr wisst, welchen Respekt ich vor Euch empfinde.«
    So konnte das nicht weitergehen! Wahrscheinlich würde sich das Tor in wenigen Augenblicken wieder schließen, wenn es denn wirklich ein Tor war und nicht nur eine gleißende Flamme. Der Erlkönig bückte sich und griff nach einem trockenen Ast. »Schau her, Baldur. Schönes Stöckchen!«
    Der Werwolf legte die Ohren an und begann treuherzig mit dem Schwanz zu wedeln.
    »Komm, mein Guter! Bring’s zu Herrchen!« Mit einer knappen Bewegung aus dem Handgelenk schleuderte der Erlkönig den Stock durch das vermeintliche Portal. Der Werwolf war mit einem Satz auf den Beinen und stürmte ohne zu zögern hinter dem Stock her durch die grünen Flammen.
    »Es scheint ihn nicht umgebracht zu haben«, murmelte Cagliostro nach einem Moment des Schweigens.
    »Zumindest nicht sofort«, stimmte der Elbenfürst zu.
    Die Flamme wurde kleiner. Wenn sie jetzt nicht handelten, dann war die Gelegenheit verpasst. Entschlossen packte der Erlkönig den Grafen am Arm. »Wir gehen zusammen!«
    Cagliostro schluckte, leistete aber keinen Widerstand. »Bei Isis und Osiris! So sei es!«
    Statt Hitze spürte der Erlkönig einen eisigen Luftzug, als sie durch die grünen Flammen schritten. Es dauerte kaum einen Herzschlag und sie standen neben einem anderen großen Feuer, um das sich rund dreißig junge Männer und Frauen versammelt hatten. Verblüfft sah er sich um. Die Männer trugen Schwerter und Dolche um die Hüften gegürtet. Etliche hielten Trinkhörner in den Händen. Bei den Gerüchten, die in ihrer Welt die Runde machten, hatte er erwartet, dass sich ein wenig mehr verändert hatte. Es sah fast aus wie früher … Abgesehen davon, dass hier sowohl Männer als auch Frauen Röcke trugen.
    Die Feiernden schienen sie nicht zu bemerken. Etwas stupste an sein Knie. Baldur hatte den Stock vor seine Füße gelegt und hechelte erwartungsvoll. Der Erlkönig tätschelte dem Werwolf

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