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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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der in dieser Nacht den Mond verschlungen hatte. Einen Herzschlag lang war es still an den Feuern, dann klackten zwei Methörner gegeneinander und jemand rief laut: »Hört ihr Cernunos! Der Wächter der Unterwelt steht an der Pforte! Grüßt die Geister unserer Ahnen!«
    Eine sommersprossige Hand legte sich auf Tills Schulter. »Ich weiß etwas, das deine Traurigkeit vertreiben wird«, flüsterte eine vertraute Stimme. Mariana, die selbst ernannte Druidin des Clans, beugte sich zu ihm herab und gab dabei tiefe Einblicke in ihr Dekolletee. Für Mariana waren Magie und Sinnlichkeit untrennbar miteinander verwoben, und obwohl sie im landläufigen Sinne keine Schönheit war, hatte sie eine erotische Ausstrahlung, der sich nur die wenigsten Männer entziehen konnten. Blass und sommersprossig, mit schulterlangem roten Haar, trug sie ein hochgeschlitztes Kleid, das nur von ihrem Gürtel und zwei Schulterspangen zusammengehalten wurde. Es war eines von jenen raffinierten Kleidungsstücken, die alles andeuteten, ohne wirklich etwas zu enthüllen, und es brachte Marianas üppige Formen auf das Vorteilhafteste zur Geltung. Obwohl die Druidin nicht zu den Gründungsmitgliedern der Ui Talchiu gehörte, war sie mittlerweile die einflussreichste Frau im Clan, denn im Gegensatz zu Gabriela legte sie größten Wert darauf, an allen Intrigen beteiligt zu sein und, was aktuellen Tratsch anging, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Kurz gesagt war sie eine Frau, die stets dafür sorgte, dass man an ihr nicht vorbeikam.
    Sie löste einen kleinen Lederbeutel von ihrem breiten, mit Amuletten verzierten Ledergürtel. »Getrocknete Tollkirschen«, hauchte sie Till ins Ohr. »In dieser Nacht werden sie dich den alten Göttern näher bringen und wer weiß wem sonst noch, wenn das Ritual abgehalten ist!« Sie lächelte verschwörerisch.
    Till schob die Hand mit dem Beutel zurück. »Das ist nichts für mich!«
    Die Druidin runzelte verwundert die Stirn. »Ich habe heute Abend schon zwei genommen. Glaub mir, sie befreien deinen Geist.«
    Till starrte auf ihre Brüste und dachte einen Augenblick über Freiheit nach, dann schüttelte er entschieden den Kopf.
    »Es ist nicht gut, sich immer von den anderen abzusondern und keine Hilfe anzunehmen«, zischte Mariana eingeschnappt, wich zurück und verhedderte sich mit ihrem Umhang an der Parierstange des Schwerts, das Till neben sich in die Erde gestoßen hatte.
    »Der Stahl verletzt den Leib der Göttin!«, fluchte die Druidin entnervt. »Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ihr keine Schwerter in die Erde rammen dürft. Ihr beschwört damit den Zorn der großen Göttin.«
    Vom Rand des nahen Waldes ertönte Trommelklang. Mariana richtete sich ganz auf und schüttelte mit einer knappen Bewegung die Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. »Geht zum großen Feuerkreis! Das Ritual beginnt und ich hoffe, ihr wisst noch, was zu tun ist!«
    Die trunkene Gemütlichkeit an den Feuern war dahin. Till fühlte, wie sich beim Gedanken an die dumme Litanei, die er immer wieder vergaß, sein Magen zusammenkrampfte. Alle anderen zogen gut gelaunt zum großen Feuer nahe am Waldrand. Selbst Gabriela und Rolf scherzten wieder miteinander. Till fluchte stumm und wünschte sich, er wäre ein anderer. Vielleicht Kurt, der Mathelehrer, der bei den Clanstreffen immer ein geflochtenes Lederband um die Stirn trug, um seine Geheimratsecken zu verbergen. Oder Uta, dessen dicke Freundin, die in der Tankstelle an der Berrenrather Straße als Mechanikerin arbeitete. Bettina, die Ethnologin im zwanzigsten Semester, Michael, der zum Clan geflüchtet war, um seinem tristen Alltag als Programmierer zu entgehen. Selbst mit Sebastian, dem katholischen Küster, dessen Arbeitgeber natürlich nichts von seinem heidnischen Hobby wussten, hätte er jetzt nur zu gerne getauscht.
    Martin ließ ein paar aufmunternde Akkorde auf seiner Gitarre erklingen und nickte Till zu. »Komm, bringen wir den Pflichtteil des Abends hinter uns. Löschen wir die Feuer!« Er nahm einen großen Holzeimer und entleerte ihn über den Flammen. Rolf und Gabriela kümmerten sich um die übrigen Lagerfeuer.
    Die Finsternis war vollkommen! Weit und breit gab es keine Straßenlaterne oder ein erleuchtetes Fenster eines Bauernhofes. Das Raunen der anderen, die schon zum Waldrand hinaufgegangen waren, war verstummt, und was Till noch vor wenigen Minuten als nette Legenden abgetan hatte, bekam in der Finsternis ein anderes Gesicht. Samhaim, das war die Nacht der

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