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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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vergessen, dass er mir sechs Richtige im Lotto vorausgesagt hat und sogar die korrekten Zahlen nennen konnte? Warum also sollte ich ihm nicht trauen?«
    »Ich denke da an Sharon Stone …«
    Nöhrgel wurde erst rot und dann kreidebleich. Seine knotigen Hände krallten sich in die Lederlehnen des Bürosessels. »Du undankbarer kleiner Wicht! Hast du schon vergessen, dass ich dich gestern vor Laller und dem Rat beschützt habe?«
    »Ich wollte ja nur andeuten, dass die Sache mit den Lottozahlen vielleicht nur ein Zufallstreffer war. Ich meine … Es gibt immerhin auch Leute, die sechs Richtige haben ohne einen Wahrscheinlichkeitskalkulator zu bemühen und …«
    »Genug! Kommen wir lieber zu dem Grund, warum ich dich habe rufen lassen!« Nöhrgel lehnte sich im Sessel zurück und setzte eine Miene auf, die nichts Gutes verhieß. Er lächelte, aber an diese gönnerhafte Grimasse hatte Wallerich die schlimmsten Erinnerungen. »Ich habe dir ein Angebot zu machen, das du nicht ablehnen kannst.«
    Wallerich lief es eiskalt den Rücken hinunter. Der Alte hatte ungefähr zwanzig Lieblingsfilme und auf Platz eins und zwei standen seit Jahren Der Pate und Mary Shelleys Frankenstein . Einmal abgesehen davon, dass Nöhrgel steif und fest behauptete, Don Corleone würde von Harvey Keitel gespielt werden, hatte er den Film für einen Fünfhundertjährigen ganz gut begriffen, und wenn er mit der Ich-habe-dir-ein-Angebot-zu-machen -Tour begann, folgte stets eine mittlere Katastrophe.
    »Gestern Nacht hat es in der Eifel nahe bei Bleialf eine magische Anomalie gegeben. Eine Entladung von Kräften. Vielleicht hat es nichts zu bedeuten. So etwas kann auch spontan passieren, so wie sich die elektrische Spannung in einem Gewitter entlädt. Aber ich würde mich wohler fühlen, wenn du der Sache nachgehen würdest.«
    »Ein magische Anomalie? Wie misst man denn so was?«
    »In Anbetracht deiner Zweifel an meinen technischen Fähigkeiten erspare ich uns beiden lieber dir zu erläutern, woher ich davon weiß«, entgegnete Nöhrgel ironisch. »Ich habe bereits alles für deine Reise in die Schneeeifel arrangiert.«
    »Dass ich ablehnen könnte, hast du hoffentlich auch einkalkuliert!«
    »Offen gestanden nein. Laut Kalkulator beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass du dich auf den Weg machst, fünfundneunzig Prozent. Jedenfalls wenn ich dir sage, dass der Rat gerne noch einmal mit mir über deinen Ringdiebstahl und eine angemessene Bestrafung sprechen möchte. Irgendwie sind sie der Meinung, ich hätte dich zu leicht davonkommen lassen und …«
    »Schon gut«, winkte Wallerich ab. »Ich habe verstanden. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Welche Möwe wartet auf mich?«
    »Schnapper. Leider war keine andere mehr zu bekommen. Du weißt ja, dass nach der Samhaimnacht viele unserer Brüder gerne einen Ausflug machen.«
    Wallerich glaubte sich verhört zu haben. »Du willst mich wirklich mit Schnapper fliegen lassen? Das kann nicht dein Ernst sein? Du erinnerst dich doch sicher noch an die Malko-Affäre.«
    »Sehe ich senil aus? Natürlich erinnere ich mich! Ich habe damals mit Schnapper den Lügendetektortest durchgeführt. Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Schnapper hat Malko damals zweifellos unbeschadet abgesetzt. Was danach geschehen ist, konnte nie ermittelt werden. Aber du kennst ja Malko. Vielleicht macht er nur eine ausgedehnte Zechtour.«
    »Eine Zechtour, die fünf Jahre dauert?« Wallerich überlegte, ob er nicht vielleicht lieber eine Bestrafung durch den Rat in Kauf nehmen sollte. Doch nein, sie würden ihn wahrscheinlich nach Nebenan schicken und dann könnte er Neriella für Jahre nicht wiedersehen. Er war sich sicher, dass Nöhrgel das einkalkuliert hatte. »Also gut, ich werde fliegen. Soll ich auf etwas Besonderes achten?«
    »Schau dich einfach nur um und berichte mir, was du gesehen hast. Die Anomalie gab es irgendwo westlich von Bleialf auf einem Bergrücken. Mehr weiß ich leider auch nicht.« Der Älteste drehte sich um und begann auf der Tastatur des Wahrscheinlichkeitskalkulators herumzuhämmern.
    »Ich geh dann«, murmelte Wallerich geschlagen.
    »Sag Birgel, dass er vor der Ratssitzung bei mir vorbeischauen soll. Ich brauche noch jemanden, der mir tragen hilft. Ich werde einen wahren Berg von Papieren mitnehmen müssen.«
    Der Alte hatte sich nicht einmal mehr umgedreht. Niedergeschlagen verließ Wallerich die enge Kammer. Ein Flug mit Schnapper … Schlimmer hätte der Tag nicht beginnen

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