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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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irgendwelche Sorgen haben …
    »Der Wasserstand ist normal«, meldete Otto. »Es gibt keine Anzeichen für austretende Radioaktivität. Es gibt …« Er stockte. »Ich messe überhaupt keine Strahlung mehr!«
    Frank fluchte. »Haben wir eine Temperaturmeldung?«
    »Positiv. Aber die Temperatur sinkt. Das passt nicht … Außer zu den Turbinenmeldungen.«
    Das gelbe Telefon unter der Kontrolltafel schrillte. Erst beim achten Klingeln nahm Frank ab.
    »Was zum Teufel ist los bei euch? Hessler hier. Uns geht das Stromnetz in die Knie. Ist was passiert?«
    »Ja«, antwortete Frank gedehnt. »Irgendetwas ist passiert.« Er suchte nach Worten. Aber wie sollte man einen Störfall erklären, der sich an keines der durchexerzierten Notfallszenarien hielt? »Wir hatten eine Notabschaltung. Nichts Ernstes. Bis morgen früh hängen wir wieder am Netz.« Frank legte auf. Der Kontrollraum war in flackerndes, rotes Licht getaucht. Noch immer schrillten die Alarmsirenen. Fast sofort klingelte das Telefon wieder.
    »Ich muss wissen, was in der Brennkammer passiert. Oben auf dem Kran, mit dem die Brennstäbe ausgewechselt werden, ist doch eine Kamera. Kannst du mir damit irgendwelche Bilder auf den Bildschirm holen?«
    Otto zuckte hilflos mit den Schultern. »Weiß nicht, ob die Kamera noch funktioniert. Die Strahlung … Vor einem Brennstabwechsel tauschen wir immer erst einmal die Kamera über dem Greifarm aus und …«
    »Das interessiert mich nicht!«, fluchte Frank. »Ich will ein Bild aus der Brennkammer!« Das Läuten des Telefons machte ihn schier wahnsinnig. Er konnte jetzt keine Fragen beantworten! Frank riss den Hörer hoch und drückte die Telefongabel nieder. Dann legte er den Hörer neben das Gerät. Als Nächstes würde er die Sirenen abschalten. Bei dem Lärm konnte er nicht klar denken.
    »Herr Doktor Schütte … ähm … ich habe jetzt tatsächlich so etwas wie ein Bild …«
    »Was soll das heißen: so etwas wie ein Bild? Hast du ein Bild oder nicht?«
    »Das sehen Sie sich lieber selbst an.«
    Frank trat hinter Ottos Stuhl und blickte auf den Bildschirm. Das Becken der Brennkammer war deutlich zu erkennen. Alle Brennstäbe waren verschwunden. Mehr als ein Zentner angereichertes Uran! Frank schnürte es die Kehle zu. Da war etwas, was es nicht geben durfte! Das war gegen jede Vernunft! »Kannst du die Kamera schwenken?«
    Das Bild auf dem Monitor ruckte und zeigte dann eine Totale. Einen Augenblick lang glaubte Frank, dass vielleicht ein Videoband von einem Sonntagsausflug in die Datenbank geraten war. Aber da waren immer noch die Betonwände im Hintergrund und der Rand des Kühlwasserbeckens.
    »Und wir haben keine Radioaktivität mehr?«, fragte er unsicher und versuchte gleichzeitig sich an den Gedanken zu klammern, dass dies alles nur eine Halluzination sein konnte.
    »Nichts«, antwortete Otto und deutete auf die rote Zahlenkolonne eines digitalen Messgeräts. »Da unten ist alles absolut clean.«
    Frank glaubte einen Hauch von Ironie in Ottos Stimme zu hören. Wahrscheinlich war der kleine Spießer zum ersten Mal in seinem Leben froh darüber, nur der zweite Mann zu sein. Er würde morgen niemandem erklären müssen, was hier vorgefallen war! »Ich hol mir ’nen Schutzanzug und geh runter. Ich muss mir die Sache vor Ort ansehen.«
    »Eine gute Idee, Chef.«
    Frank warf noch einen Blick auf den Monitor. Das musste ein Scherz sein! So etwas konnte es nicht geben! In Brennkammern von Atomkraftwerken wuchsen keine Eichen …!

7

    Till saß übernächtigt an seinem Schreibtisch und betrachtete den Eschenzweig, der vor ihm in einer leeren Colaflasche stand, die als Blumenvase hatte herhalten müssen. Die zarten grünen Blätter des Schösslings waren verschrumpelt. Er starb. Vielleicht würde er bald ganz verschwinden und mit ihm auch die Wahnvorstellungen … Die ganze Nacht hatte Till über die Ereignisse im Park nachgegrübelt, doch ihm war keine bessere Erklärung eingefallen als die, dass er langsam wahnsinnig wurde. War seine kühne Magisterarbeit das erste Anzeichen seines Irrsinns gewesen?
    Tills Zimmertür knarrte leise. Dann hörte der Student das unverwechselbare Geräusch von Gabrielas Pfennigabsätzen auf den Holzdielen. »Alles in Ordnung?« Sie kam schon zum dritten Mal heute Morgen herein.
    »Mir geht’s gut«, brummte Till einsilbig.
    »So? Du versuchst also nur dieses kümmerliche Ästchen zu hypnotisieren. Jetzt komm schon, raus damit! Ist es immer noch wegen Mukke?«
    »Du siehst dieses

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