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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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fortgeschritten, wie an meinem Computer zu erkennen war. Der ›Dimensionssprung‹ hatte mich und meine unmittelbare körperliche Umgebung betroffen, also alles, was ich auf und an mir trug, einschließlich meiner Brieftasche mit den hier unbrauchbaren Euros – vermutlich galt das auch für EC- und Kreditkarte – und meines Handys, das hier hartnäckig kein Netz bekam. Datum und Uhrzeit waren unverändert, wie mir schien, auch das Etikett an meinen Jeans zeigte das vertraute Logo von Levi’s. Natürlich, machte ich mir klar, die hatte ich ja schließlich ›mitgebracht‹. Allerdings war mir aufgefallen, dass man in dieser Welt offenbar seltener Jeans trug.
    Das hatte vielleicht damit zu tun, dass es hier keine USA gab, jedenfalls nicht in dem Sinn, wie ich mich an die Führungsmacht meiner Welt erinnerte. Hier gab es an deren Stelle ein Staatengebilde im nördlichen Bereich, das sich UNS nannte – Union of Northamerican States. Ein Gedanke durchzuckte mich. Ja, natürlich, es gab UNS, CSA und Kalifornien – das deutete darauf hin, dass der Sezessionskrieg in dieser Welt einen anderen Ausgang genommen hatte, ein beliebter Topos von SF-Romanen …
    Ich zwang meine Gedanken in eine andere Richtung. Was für Kräfte hatten mich aus meiner Umgebung gerissen und hierher versetzt? Und mutmaßlich mein Pendant aus dieser Welt in die meine! Ein solches Pendant musste es ja geben, anders wäre Carols Reaktion auf mein Erscheinen – nämlich keine – nicht zu verstehen. Der Schlüssel dazu musste sich in dem Schuppen am Wegrand befinden. Ich musste da unbedingt noch einmal hin und nachsehen. Aber nicht jetzt.
    Jetzt musste ich mich auf das nächste Zusammentreffen mit Carol vorbereiten, der Frau, mit der ich seit über fünfundzwanzig Jahren lebte und die doch – in gewisser Hinsicht – eine völlig Fremde war.
    ***
     
    Ich hörte draußen in der Einfahrt Reifen auf dem Kies knirschen. Carol war zurück. Sie fuhr den Wagen in die Garage, und gleich darauf hörte ich aus dem Flur ihre Stimme.
    »Bernhard, was ist das für ein komisches Ding, das ich da im Auto gefunden habe? Wo bist du denn?«
    »Im Arbeitszimmer. Was für ein Ding?«
    Sie trat ins Zimmer, die Einkaufstasche in der einen, mein Handy in der anderen Hand.
    »Mein Handy natürlich, es muss mir aus der Tasche gerutscht sein.«
    »Dein was? Das sieht ja aus wie ein Taschenrechner.«
    Ich erinnerte mich an das Telefonat, das sie nicht angenommen hatte, die Projektion an der Wand und dass sie von einem ›Mobi‹ gesprochen hatte …
    Es war so weit …
    »Das ist ein Mobiltelefon, und ich glaube, ich muss dir wohl einiges erklären …«, fing ich an und merkte, wie ihre Augen sich weiteten.
        
     

2
     
    Es wurde ein ziemlich langes Gespräch. Im Stillen dankte ich meinem Schöpfer, dass Carol mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen stand, aber auch dafür, dass mein ›Pendant‹ ebenfalls an Science Fiction interessiert war. Allerdings war diese Literaturgattung in dieser Welt bei Weitem nicht so populär und nannte sich hier ›Technovision‹. Wie es schien, hatten die beiden sich gelegentlich über dieses Genre unterhalten und Carol hatte dafür gewisses Interesse gezeigt, wenn auch, ohne sich dafür zu begeistern.
    Ein Roman des Autors Ward Moore, ›Der große Süden‹, hatte allerdings Eindruck auf sie gemacht – eine Geschichte, in der die Nordstaaten der USA den Bürgerkrieg gewonnen und damit bewirkt hatten, dass die Vereinigten Staaten, wie ich sie kannte, eine politische Einheit geblieben waren. Ich hatte den Roman anders in Erinnerung, aber das mochte eine Folge der Unterschiede zwischen den beiden parallelen Welten sein.
    Wie dem auch sei, jedenfalls hatte ich nach beinahe drei Stunden das Gefühl, dass Carol sich allmählich mit dem Gedanken vertraut machte, dass der Mann, der ihr gegenübersaß, äußerlich und dem Namen nach Bernd Lukas war, doch offensichtlich aus einer anderen Welt stammte. Daran änderte auch der Leberfleck in meiner linken Kniekehle nichts, den sie hatte sehen wollen. Mir war der gar nicht bewusst gewesen …
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte sie ganz ruhig. Dass sie trotzdem ziemlich aufgewühlt war, konnte ich nur daraus entnehmen, dass sie ständig Daumen und Zeigefinger aneinander rieb, etwa so wie in der Geste des Geldzählens. ›Meine‹ Carol hatte exakt die gleiche Angewohnheit. Als ich ihr das sagte, kamen ihr die Tränen. Ich hätte sie jetzt gern in die Arme genommen, war mir

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