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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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gewaltigen Unterschied im Lebensstandard, meine ich.«
    »Aber Gott sei Dank hat es dann ja doch geklappt«, erklärte ich ein wenig gönnerhaft. »Bei uns war es eher umgekehrt, Deutschland hatte sich zwar nach dem verlorenen Krieg wieder ziemlich schnell erholt –«
    »Welchem Krieg? In Europa herrscht doch Frieden, solang ich zurückdenken kann. Bernhard hat zwar von einem Krieg zu Beginn des letzten Jahrhunderts zwischen Deutschland und Frankreich erzählt, aber der hat doch bloß sechs Tage gedauert …«
    Da würde ich einiges nachlesen müssen …
    »Nein, in unserer Welt hat es im vergangenen Jahrhundert zwei gewaltige Kriege gegeben, den Ersten und den Zweiten Weltkrieg. Manche sagen auch, es sei ein einziger Krieg gewesen, und in dem sind auf der ganzen Welt über hundert Millionen Menschen umgekommen und ganze Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht. Glaub mir, da ist dir einiges erspart geblieben.«
    »Hundert Millionen …«, wiederholte Carol entsetzt und verstummte dann.
    »Ja, und Amerika war zwar beteiligt, hatte aber bei Weitem die geringsten Verluste an Menschenleben. Auf dem amerikanischen Kontinent wurde auch überhaupt nicht gekämpft und die Wirtschaft blühte daher. Deshalb ist Amerika, also die USA, in meiner Welt – inzwischen benutzte ich den Terminus mit einer Selbstverständlichkeit, als spräche ich von einer anderen Stadt – wirtschaftlich und militärisch die führende Nation. ›The indispensable nation‹, sagen amerikanische Politiker in der ihnen eigenen Bescheidenheit.«
    »Die USA«, wiederholte Carol. »Heißt das die Union? Also die Nordstaaten? Die heißen bei uns UNS – Union of Northamerican States.«
    »Nein, die USA sehen ein wenig anders aus. Bei ›uns‹ sind das die Staaten zwischen Mexiko und Kanada, achtundvierzig an der Zahl, dazu kommen Alaska und Hawaii, das ja bei euch anscheinend ein selbstständiger Staat ist. Insgesamt also fünfzig.«
    Carol nickt nur und fügte dann beinahe beiläufig hinzu: »Nein, Hawaii ist nur dem Namen nach selbständig, gehört aber praktisch zu Japan.
    Aber jetzt sollten wir wirklich essen, sonst wird alles kalt. Ehrlich gesagt, der ganze Politikkram interessiert mich zwar schon, doch ganz sicher nicht im Augenblick. Ich denke, wir sollten uns mehr mit uns befassen.« Mit den Worten legte sie mir auf, nahm sich dann selbst und wir fingen zu essen an. Schweigend.
    Das Schweigen hielt eine Weile an, dann fragte Carol: »Haben wir, ich meine du und die andere Carol, Kinder?«
    Als ich das bejahte, stellten wir fest, dass es auch hier keine entscheidenden Unterschiede gab. Jessica, 22 Jahre alt, studierte in dieser Welt Anglistik, während sie sich in der meinen für die Ingenieurwissenschaften entschieden hatte, und lebte in beiden Welten in München. Maximilian, 24, arbeitete in meiner Welt als Betriebswirt bei der Commerzbank und wohnte in Germering, während er in Carols Welt mit seiner Familie in Glonn lebte und jeden Tag mit der Bahn nach München pendelte, wo er an der Uni als Assistent am Lehrstuhl für Raumfahrt tätig war.
    Die Kerze auf dem Tisch war inzwischen niedergebrannt und es begann, kühl zu werden. Von dem Pinot Grigio war nichts mehr in der Flasche, und wir beschlossen, ins Haus zu gehen. Carol belud in der Küche die Spülmaschine, und ich überlegte, ob ich den Fernseher einschalten sollte, wusste aber nicht, wie ich das anstellen sollte, und wollte Carol nicht fragen. Außerdem merkte ich plötzlich, wie mir der Kopf heruntersank.
    »Ich gehe schlafen«, rief ich Carol zu und verschwand nach oben.
        
     

3
     
    Es war Vollmond, ich war mit Charlie an der Leine unterwegs, vor mir lag die Hütte, in der alles angefangen hatte. Eigentlich wusste ich nicht recht, was ich zu nächtlicher Stunde hier zu suchen hatte. Gewöhnlich hatte ich einen gesunden Schlaf, und auch Charlies Gassi-Gewohnheiten waren unserem menschlichen Tagesplan angepasst …
    Die Hütte zog mich geradezu magisch an. Beiläufig stellte ich fest, dass die Tür wieder mit einem Schloss gesichert war. Dabei hatte ich das Forstamt noch gar nicht von meinem Einbruch verständigt … Unter der Tür war Licht zu erkennen, ein schmaler, weißer Streifen, hell genug, um auch in der Vollmondnacht deutlich wahrnehmbar zu sein. Ich ging auf die Hütte zu, spürte, wie Charlie leichten Widerstand leistete, sich gegen die Leine sperrte, setzte mich aber durch.
    Die Hütte war fensterlos, aber so alt, dass schon so manches Astloch Einblick bot. An

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