Nebenweit (German Edition)
Menschen mit Migrationshintergrund war in der Summe für alle von Vorteil gewesen, auch wenn es davon Ausnahmen gab – aber schließlich hatten die Gäler in zweihundert Jahren bewiesen, wozu sie fähig waren. Doch wie die Menschen davon überzeugen?
Und dann brachte eine beiläufige Bemerkung, die ich Jacques gegenüber machte, den Durchbruch. Ich erzählte ihm von dem Tagebuch, das ich kurz nach meinem unfreiwilligen ›Rutsch‹ begonnen hatte, und aus dem in den letzten Wochen so etwas wie ein Erlebnisbericht geworden war, von dem ich überlegte, ob ich ihn zu einem Technovisionsroman umarbeiten sollte. Tanabes Bestsellererfolg mit Hiroshima hatte mir dazu den Anstoß gegeben.
»Warum bringen wir das nicht zunächst als Roman heraus und bereiten damit die Menschen hier auf den Gedanken der Anderwelten vor?«, strahlte Dupont, als ich ihm geschildert hatte, wie ich den Bericht angelegt hatte.
Damit wurde aus dem Tagebuch plötzlich so etwas wie ein Projekt, nur dass ein Roman eben kein Tagebuch ist, und das sagte ich Dupont. »Zu einem Roman gehören die Perspektiven mehrerer Personen – in unserem Fall also die von Ihnen und Ladox und was Bernhard Ihnen über seine Erlebnisse nach seinem ›Rutsch‹ erzählt hat.
Kurzum, ich brauche Hintergrundmaterial, und das können Sie mir liefern, Jacques. Wir müssen uns also demnächst einmal – am besten mit laufendem Tonband im Hintergrund – zusammensetzen und Sie müssen sich von mir ausquetschen lassen. Sie haben mir zwar immer wieder mal erzählt, was sich da so getan hat, in welcher Zeitlinie auch immer. Aber um das in Romanform zu bringen, brauche ich mehr. Und manches Detail habe ich inzwischen sicherlich auch vergessen. Deshalb das Tonband. Wenn ich dann genügend Material aus Ihnen herausgepresst habe, werde ich das zwischen den Tagebuchszenen einbauen. Und über ein paar Dinge, die Sie oder ich nur ahnen, werde ich mir etwas einfallen lassen. Schließlich habe ich ja schon ein paar Bücher geschrieben, das sollte also nicht schwer sein. Als ich an dem Tagebuch gearbeitet habe, hatte ich daran gedacht, es über Ihre Verbindungsleute in meine Zeitebene – also die Amerikawelt – zu schleusen und es dort meiner Frau zuzuspielen. Seit ich mich damit abgefunden habe, dass es für mich wohl zumindest in absehbarer Zeit kein Zurück gibt, und ich auch weiß, dass mein Zwilling in der Germaniawelt gefangen ist, drängt es mich einfach, ihr Klarheit zu verschaffen, mich sozusagen auf anständige Weise von ihr zu verabschieden.«
»Ja, warum nicht?«, meinte Jacques etwas abwesend, und sichtlich mehr von seiner PR-Aktion angetan als von meinem Wunsch, Carol ein Lebenszeichen zukommen zu lassen. »Das eine schließt ja das andere nicht aus. Ich denke, wir sorgen dafür, dass ihr Bericht als Buch hier groß rauskommt –«
»Keine Chance!«, fiel ich ihm ins Wort. »Ich weiß, wie es in meiner Welt mit dem Interesse für Science Fiction aussieht, und hier wird es bei Technovision nicht anders sein. Es wäre ein reiner Glücksfall, überhaupt einen Verleger zu finden, und wenn der dann zwei- oder dreitausend Stück verkauft, dann wäre das schon viel.«
»Nicht, wenn man es richtig anpackt und ein bisschen Geld in die Hand nimmt«, wehrte Dupont ab. »Wir müssten eine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit einschalten und dafür sorgen, dass Sie und Ihr Buch in die richtigen Fernsehsendungen kommen.«
»Die Leute würden mich doch für einen Spinner halten!«, wandte ich ein.
»Na und, sollen sie doch meinetwegen. Wir müssten natürlich eine Kampagne vorbereiten, Sie ein wenig herumreichen, Interviews und all das. Und dann untermauern wir die ganze Geschichte wissenschaftlich, holen uns den einen oder anderen anerkannten Physiker vor die Kameras und lassen den erklären, dass es tatsächlich ein Multiversum gibt. Wir machen in Luteta Videoaufnahmen und zeigen die im Fernsehen, da fällt uns bestimmt eine Menge ein …«
Ich hatte Jacques noch nie so euphorisch gesehen, die Ideen sprudelten förmlich aus ihm heraus, und allmählich spürte ich, wie mich seine Begeisterung ansteckte. Die Kontakte mit Thadewald und Moriarty hatten mir klargemacht, dass es alle – die meisten? – meiner Kontakte auch in dieser Zeitebene gab, und das bedeutete, dass ich bestimmt über hundert Medienleute nicht nur in der Europäischen Föderation, sondern auch in Amerika mobilisieren könnte, alles Leute, die mich als seriös kannten …
Trotzdem würde es nicht leicht sein,
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