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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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herrschte ein strenges Regiment, und Geld und Ausweispapiere erhielten auf Befehl Antolax’ nur Offiziere seines engsten Vertrauens. Deshalb hatten sie sich auf der ganzen Radtour von Stettin bis Groningen vorzugsweise mit kleinen, nächtlichen Diebstählen und Einbrüchen mit Lebensmitteln versorgt.
    Vor dem Grenzübergang hatten sie sich dann mit einem gewagten ›Rutsch‹ in die eigene Welt versetzt, und seitdem waren sie zwar vor der Verfolgung durch die Behörden, nicht aber vor den Gefahren sicher, die von den Tieren des Waldes ausgingen. Sie hatten zwar beide ihre Pistolen und genügend Munition bei sich, aber gegen einen Bären bot eine Pistole keinen Schutz, und im Übrigen waren weder Ardex noch der zwei Jahre jüngere Kilux so etwas wie Meisterschützen.
    Die Strapazen ihrer Flucht hatten in ihnen immer wieder die bange Frage aufkommen lassen, ob sich das gefährliche Unterfangen eigentlich für sie lohnte. Wenn sie nachts ihre Fahrräder in einem Wäldchen versteckt und sich auf die Suche nach einem ungesicherten Keller mit Lebensmitteln gemacht hatten, stets in Sorge, eine Polizeistreife könne sie erwischen und ihrer Flucht ein Ende machen, hatten sie es so manches Mal bereut, den Schutz verlassen zu haben, den die Burg ihnen vor den Elementen bot. Und die regelmäßigen Mahlzeiten, auch wenn es meist nur geschmacklosen Eintopf und dünnes Bier gab. Aber Antolax’ Schreckensherrschaft war unerträglich geworden. Der geringste Verstoß gegen sein strenges Reglement führte zu tagelangen Kerkerstrafen, meist bei Wasser und Brot, häufig auch ohne jede Nahrung. Und immer hieß es nur, das sei das Gebot der Götter und nur widerspruchsloser Gehorsam gegenüber dem Führer – und damit meinte er nicht etwa den Reichskanzler im fernen Berlin, sondern sich selbst.
    »Eine-Welt«, nannte er die Bewegung, an deren Spitze er sich gestellt hatte und die es sich zum Ziel gesetzt hatte, den Kontakt zu den Anderwelten zu beenden – warum also der Versuch, sich in dieser Welt so etwas wie ein eigenes Fürstentum aufzubauen, eines, in dem Antolax/Falkenberg unbeschränkter Herrscher war? Die streng hierarchische Gliederung der SS-Einheiten, in denen er eine herausgehobene Position einnahm, erlaubte es ihm, auf Burg Allenstein ganz nach Gutdünken zu herrschen, solange die Sklavenarbeiter ihre Arbeitsquoten erfüllten. Und das taten sie, weil sie sonst ihr Leben riskierten.
    Drei Tage vor ihrer Flucht waren sie Zeuge gewesen, wie zwei Arbeiter aus einem nahe gelegenen landwirtschaftlichen Kombinat vor den Augen der ganzen Besatzung der Burg hingerichtet worden waren. Ihr Verbrechen hatte darin bestanden, dass sie einen halben Sack Weizen gestohlen und sich dabei hatten erwischen lassen. Antolax hatte die ganze Besatzung antreten lassen und einem der jüngsten seiner Männer – Telax hieß er, er war erst vor zwei Monaten aus Luteta gekommen –, den Befehl gegeben, die beiden Männer zu strangulieren. Zehn Minuten hatte ihr Todeskampf gedauert, und am Ende hatte Telax sich erbrochen und war ohnmächtig zusammengesunken und eine Viertelstunde reglos im eigenen Erbrochenen gelegen, bis Antolax schließlich seinen Kameraden erlaubt hatte, ihn auf seine Stube zu schleppen. Anschließend hatte er ihn wegen ›erwiesener Feigheit‹ zu einer Woche Einzelhaft verurteilt.
    In jener Nacht hatten Ardex und Kilux die waghalsige Flucht beschlossen. Sie wollten in Luteta berichten, welche Grausamkeiten Antolax in der Germaniawelt im Namen einer Bewegung beging, die vielen zur Religion geworden war. Sie wussten, dass sie den Tod riskierten, sei es, dass ihre Flucht scheiterte und man sie festnahm, sei es, dass sie auf dem letzten Teil Ihrer Flucht, den fünf Tagen, die sie für den Fußmarsch in der Gälerwelt von der Senamündung bis Luteta eingeplant hatten, Opfer des Urwalds wurden.
    Aber jetzt sah es so aus, als hätten sie es geschafft. Vor ihnen lag Ak, das im Norden von Luteta gelegene Dorf, aus dem Ardex stammte und das er vor drei Jahren mit einer Gruppe von fünfzehn Gleichaltrigen verlassen hatte, um den langen Marsch nach Osten anzutreten, an dessen Ende das Paradies auf sie wartete. Wenigstens hatten Antolax’ Werber ihnen das versprochen. Ein Paradies mit allen Segnungen der Anderwelt Germania. Auf dem langen, an Strapazen reichen Marsch hatten sie sich oft gefragt, wie dieses verheißene Paradies eigentlich zu der Überzeugung ihrer Bewegung passte, dass der Kontakt mit den Anderwelten schädlich, ja

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