Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
keuchte der andere und hustete dabei Blut und Schleim. Anders als die Knechte hatte man ihn nicht einfach ans Kreuz gefesselt, sondern daran festgenagelt, in der Tat gekreuzigt. Da ihm der rechte Arm fehlte, hatten sie ihm unterhalb des Kinns eine Schlinge aus Silberdraht um den Hals gelegt, um seinen Kopf zu stützen. Gleichzeitig schnürte sie ihm jedoch die Kehle zu und erschwerte ihm das Sprechen. Ein gewöhnlicher Mensch hätte es gar nicht erst versucht.
Lardis schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Mann, kein Knecht. Ich mache mir nichts aus Ziegen.«
»Und ich bin ein Leutnant! «, zischte der andere. »Ich habe meinen Stolz!«
»Na gut, dann eben ... Leutnant«, nickte Lardis. »Ich frage dich nochmals: Wer bist du?«
»Da ich ja ohnehin verloren bin, kann es nicht schaden, wenn ich es dir sage«, antwortete der andere. »Ich bin Turgis Gorviknecht, Letzter der Leutnante aus Turgosheim.«
»Was, ein Gefolgsmann Gorvis des Gerissenen?«
»Na und?« Turgis zappelte ein bisschen an seinem Kreuz, dann sog er hörbar die Luft ein und blieb reglos hängen. Ausgereifte Wamphyri verfügten über Mittel und Wege, ihren Schmerz zu stillen, ihre Leutnante dagegen hatten weniger Glück.
Lardis schüttelte den Kopf. »Schade, dass du nicht Gorvi bist«, sagte er. »Das ist alles. Es wäre mir ein Vergnügen, wenn er jetzt an deiner statt da oben hinge!«
Der andere kniff sein gesundes Auge zusammen und starrte auf Lardis hinab. »Dann musst du wohl der alte Lidesci sein. Lardis, der Häuptling.«
»Ganz recht.« Lardis nickte erneut. »Und ich nehme an, es war Gorvi, der meinen Sohn geraubt hat.«
»Dann hast du es also nicht genau gewusst?« Turgis wand sich vor Schmerzen und spuckte wieder Blut. »Nun, jetzt weißt du es. Aye, gleich bei unserem ersten Überfall auf Siedeldorf nahm Gorvi deinen Sohn gefangen. Ich erinnere mich gut daran. Mich schickte er mit den anderen in die Stadt hinunter, während er das Haus auf der Anhöhe überfiel. Er bleibt gern für sich, unser Gorvi, und vermeidet tunlichst Schwierigkeiten.«
»Und ist Jason, mein Sohn, immer noch dort, in der Wrathhöhe?« Der alte Lidesci versuchte, die Angst und das Verlangen in seiner Stimme zu unterdrücken, das Bedürfnis, es endlich zu erfahren, aber es gelang ihm nicht ganz.
Turgis rang um Atem, warf den Kopf hin und her und zitterte einen Moment wie eine verkrüppelte Schlange am Längsbalken seines Kreuzes. Unter seinem Hosenlatz tröpfelte Urin hervor und verzischte dampfend im Feuer. »Diese Un... Unterhaltung ist schön und ... ah! Ah! ... gut. Aber sie führt zu nichts, jedenfalls nicht für mich. Mein einziger Wunsch ist, zu sterben. Wirst du es schnell machen?«
Lardis, Andrei und selbst Nathan hatten diese Bitte schon oft gehört. Aber diesmal war es wichtig für Lardis. »Sag mir die Wahrheit, und du bekommst einen sauberen Tod.«
» Dein ... dein Sohn war tapfer, aber er ist nicht mehr am Leben.«
Lardis schloss die Augen und seufzte tief auf – ob vor Schmerz oder Erleichterung, wer vermochte das schon zu sagen? »Und ... und hatte auch er einen schnellen Tod?«
»Schnell, aye«, nickte der Leutnant am Kreuz. »Er versuchte zu fliehen, aber es misslang. Da erklomm er die Wrathhöhe, so hoch es ging, und sprang. Er hat sich selbst getötet. Er war ganz dein Sohn, Lardis.«
Womöglich wusste er mehr darüber, vielleicht sogar viel mehr, aber Lardis war zufrieden. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, er war sogar regelrecht dankbar dafür. »Nun darfst du sterben«, sagte er. »Aber ... wird es von deiner Seite aus sauber sein?«
Turgis blickte zu ihm hinab. »Was mich angeht, sage ich Ja. Ich heiße den Tod willkommen . Aber ich bin schon lange Zeit Gorvis Gefolgsmann. Mein Blut ist verwandelt, nicht anders als ich selbst.«
Lardis, Andrei und Nathan traten zurück und entfernten sich ein gutes Stück vom Fuß des Kreuzes. Lardis nickte den Männern zu, die seitwärts von ihnen standen. Diese warfen feste Seile um die beiden Enden des Querbalkens und warteten. Weitere, mit Armbrüsten bewaffnete Männer traten nach vorn ... Doch als Turgis sie erblickte, begann er sich fauchend zu winden. Er war hin und her gerissen zwischen seinem Schmerz und dem, was ihm bevorstand. Er wollte sterben, nicht jedoch das, was in seinem Blut war!
»Jetzt!«, sagte Lardis.
Drei Bolzen fanden ihr Ziel – mitten in Turgis Gorviknechts Herz. Er stieß einen Schrei aus, dann sackte er an seinen Nägeln zusammen und hing reglos da ...
...
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