Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
den du abbekommen hast?« Nestor war darum bemüht, besorgt zu klingen.
»Kann sein, vielleicht aber auch nicht.«
In Nestors Augen – mehr war unter der Kapuze hinter dem dünnen Gewebe der Maske von seinem Gesicht nicht zu erkennen – lag ein Lächeln, und er lachte trocken in sich hinein. »Und wer spricht nun in Rätseln? Wir spielen Wortspiele, will mir scheinen!«
»Ha!«, heulte Canker. Das verborgene Lächeln des Nekromanten wirkte zwar reichlich matt. Doch es genügte bereits, um Canker ein bisschen aufzumuntern. Er grinste breit wie ein Fuchs, sprang von seinem Sessel auf, schüttelte sich wie ein Hund, was er stets tat, wenn er sich freute, und machte Anstalten, zu Nestor ans Fenster zu treten. Doch prompt wich dieser zurück. Canker war niedergeschlagener denn je. »Vielleicht ... wenn ich dir sage, was mich beschäftigt, vielleicht sagst du mir dann, was du hast?«
»Nein.« Nestor schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?« Der Hunde-Lord legte die Stirn in Falten, so dass die buschigen Augenbrauen einander über der großen Nase berührten.
»Weil es keine Antwort auf das gibt, was mich bedrückt. Und da es keine Abhilfe gibt, ist es auch nicht nötig, darüber zu reden. Was jedoch nicht heißen soll, dass ich dir nicht zuhören möchte. Du hast doch selbst gesagt, dass man gerade dazu Freunde hat!«
Canker sprang zu seinem Sessel und ließ sich hineinplumpsen. »Ich hasse das«, sagte er, seine Stimme ein leises Knurren.
»Was? Diese aussichtslose Situation?«
»Aussichtslosen Situationen kann man entkommen. Nein, diesen ... Zustand! «
»Deinen Zustand?«
Canker richtete sich in seinem Sessel auf und blickte Nestor direkt in die Augen. »Mein Freund, hast du gehört, wie die anderen hinter meinem Rücken über mich tuscheln?«
Nestor zuckte die Achseln. »Über mich reden sie auch und über sich gegenseitig ebenfalls. Ruhe und Zufriedenheit kennen sie nicht ... keiner von ihnen ... auch ich nicht ... und du ebenfalls nicht! Wir sind nun einmal Wamphyri!«
Canker kratzte sich erneut am Ohr und schüttelte den Kopf noch heftiger als zuvor. Doch wenig später hatte er sich wieder beruhigt. »Du weißt, dass mein Vater dem bellenden Wahnsinn verfiel? Das Innere seines Ohrs wurde ganz weich, fing an zu stinken und sickerte ihm ins Gehirn. Er hatte es natürlich kommen sehen – denn auch er schaute in seinen Träumen in die Zukunft –, und als seine Lieblingshündin mich warf, nannte er mich nach dem Leiden, das ihn heimsuchte, Canker – als ob ich die Schuld daran trüge! Oder ... als sei ich daraus entsprungen? Als ich noch ein Welpe war, stieg er auf einen Flieger und flog der Sonne entgegen. Ich habe sein Talent geerbt, und mit einem liebevoll väterlichen Kuss vermachte er mir das Ei seines Vampirs. Aber trage ich nun auch seinen Wahnsinn in mir?«
Endlich begriff Nestor. »Ist es das, was dir zu schaffen macht? Du glaubst, dass du wahnsinnig bist?«
»... dass ich wahnsinnig werde!«, knurrte Canker. »Aye, vielleicht ...«
»Das ist doch lächerlich!« (Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Auf diese Aussage hätte Nestor keine Wette abgeschlossen.) »Du und wahnsinnig? Mag sein, dass du ein verrückter Hund bist! Aber wahnsinnig ...«
Cankers tierhaft gelbe Augen mit dem blutroten Kern verloren sich mit einem Mal in der Ferne. Bis auf ein schwaches Funkeln schien sein Blick leer. »Wenn du wüsstest, was für Träume ich habe, Nestor ... noch nicht einmal ich vermag es zu glauben! Meine silberne Mondgeliebte ... Ich hatte immer geglaubt, dass es nur diese eine gibt ... aber möglicherweise ist der Mond voll davon! Zur Hölle mit diesem Krieg! Mich treibt schon wieder etwas dazu, auf meinem Knocheninstrument zu spielen und der Himmelsgöttin zu huldigen ...«
Er war schon wieder auf den Beinen, diesmal leuchteten seine Augen. Und nun hätte Nestor mit Sicherheit keine Wetten mehr auf den Geisteszustand des Hunde-Lords abgeschlossen. Er sandte einen Ruf nach seinem ersten Leutnant, Zahar, aus: Mach, dass du herkommst!
Zu Canker meinte er: »Die Räudenstatt braucht dich, mein Freund. Es ist an der Zeit, dass du hinuntergehst und einmal nach dem Rechten siehst. Die Hölle wird noch warten müssen, denn vorerst findet der Krieg hier statt. Mein Gefolgsmann Zahar wird dich hinausbegleiten.«
Doch Canker packte ihn am Arm und bettelte: »Nestor, mein lieber junger Lord von der Sonnseite, du musst es mir sagen – bin ich wahnsinnig? Frisst der Mond mein Gehirn auf?«
Nestor sah
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