Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
erwidert. »Aber auf die Wamphyri gibt es keine Antworten.«
Vielleicht hast du Recht. Vielleicht auch nicht. Aber unsere Mutter spricht mit unserem Vater, der dein Bruder ist. Wenn jemand die Antworten kennt, dann er. Deshalb gehen wir, um mit jener zu sprechen, die uns einst säugte.
»Mit eurer Mutter, einer Wölfin?«
Oh ja, an einem geheimen Ort, wo ihre bleichen Knochen liegen ...
Damals hatte Nathan noch nichts von seinem Talent gewusst, ja, noch überhaupt keine Ahnung gehabt, was ein Necroscope eigentlich war. Er hatte nicht die geringste Chance gehabt, ihre rätselhaften Worte zu verstehen. Doch nun ... oh, nun begriff er sehr wohl, nämlich dass sie auf ihre wölfische Art ebenfalls Necroscopen waren – alle drei! Und nicht anders als Nathan mit seinen Toten, sprachen sie mit den ihren!
»Stutz« trug seinen Namen, weil eine wütende Füchsin ihm den Schwanz gekappt hatte, als er noch ein Welpe war. »Blesse« war nach dem weißen Streifen benannt, der sich schräg über seine Stirn zog, als sei das Fell dort von Frost gezeichnet. Und um »Grinsers« Lefzen lief ein beständiges Zucken, sodass er stets so aussah, als fletsche er die Zähne, selbst bei seinen Freunden. Nathans Wölfe – seine Neffen!
Sie vernahmen seine Gedanken und antworteten ihm.
Onkel, knurrte Blesse in seinem Geist. Es war ein hustendes Bellen. Nun bist du also doch wiedergekommen. Mitsamt deinen Zahlen! Das konntest nur du sein!
»Mit meinen Zahlen?« Nathan legte die Stirn in Falten.
Wusstest du das denn nicht? Sie strömen geradezu aus dir heraus, nicht so sehr am Tag, aber ganz gewiss wenn du schläfst!
Das gab Nathan etwas, worüber er nachgrübeln konnte, wenn er erwachte und all dies zu einem bloßen Traum verblasste oder, wenn er Glück hatte, zu einer Erinnerung wurde. Denn wenn seine Wölfe ihn anhand des Zahlenstrudels erkannten, wie verhielt es sich dann bei anderen? Konnten auch sie ihn jederzeit ausfindig machen? Halb Vergessenes, was ihn seinerzeit beunruhigt, ja ihm Sorgen bereitet hatte, drängte erneut an die Oberfläche seines Bewusstseins.
In der Welt jenseits des Sternseitentores hatte Siggi Dam – keinesfalls eine Lokalisiererin, vielmehr eine Telepathin – keine Mühe gehabt, ihn zu finden. Und als er das letzte Mal hier auf der Sonnseite gewesen war, hatte sein Bruder Nestor, der Vampir, genau gewusst, wo er sich aufhielt. Aber ... der Zahlenstrudel? Lag es daran? Verrieten ihn seine angeborenen metaphysisch-mathematischen Fähigkeiten? Von nun an musste er den Zahlenwirbel unterdrücken, insbesondere jetzt, wo er sich wieder bei Lardis und den Szgany Lidesci befand. Das Letzte, was er sich wünschte, war, den Wamphyri auch noch den Weg zu weisen.
Ein gedankliches Kopfschütteln, wiederum von Blesse. Auf der ganzen Sonnseite und auch der Sternseite gibt es nicht mehr als fünf Wesen, die derart Zahlen verströmen und sie erkennen können. Würde ein fremder Geist den deinen berühren, so wie ich es im Augenblick tue, würde er wahrscheinlich den Mahlstrom aus Zahlen spüren. Doch für uns war er stets ein sicheres Zeichen dafür, wo du dich gerade aufhältst. Leider nicht allein für uns, sondern auch für ... deinen Bruder Nestor!
»Nur wir fünf«, sinnierte Nathan. »Ich, ihr drei und Nestor! Alle vom selben Blut!«
Ein Wolfsnicken. Ein weißer Streifen blitzte auf, so deutlich, als stünde Blesse direkt neben ihm; Nathan sah ihn geradezu vor sich, so, wie er ihn seit Kindertagen kannte – Blesse, dessen Augen in der Dämmerung die Farbe dunkelbraunen Wildhonigs hatten, bei Nacht jedoch gelblich leuchteten. Er war schlank, aber nicht mager, bestand ganz aus Muskeln und konnte besser und vor allem schneller klettern als eine Bergziege. Hinzu kam, dass er weit intelligenter war als der Rest des Rudels! Bis auf ein paar persönliche Kennzeichen und Angewohnheiten (so hatte Stutz einen Stummelschwanz und Grinser grinste ständig unangenehm) glichen sich die drei wie ein Ei dem anderen. Was auch sonst, schließlich stammten sie aus dem gleichen Wurf und waren von einem Blut. Demselben Blut wie Nathan. Es ergab einen Sinn.
Manches jedoch schien überhaupt nicht ins Bild zu passen. »Du sagst, Nestor verfügt über einen Zahlenstrudel? Mein Bruder verströmt Zahlen?«
Seine Zahlenaura ist nur schwach und schwindet allmählich, dennoch erkennen wir ihn daran. Oh ja, denn unsere Sinne sind scharf, und wir strengen sie aufs Äußerste an, um seinen Weg nicht zu kreuzen! In Blesses Wolfsstimme lag
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