Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
und voller Selbstvertrauen, obwohl sie Tzonov und Yefros verloren hatten. Mit Letzterem hatten die gemeinen Soldaten ohnehin kaum etwas zu tun gehabt und sowieso nicht begriffen, weshalb er dabei war.
Krasin konnte sich auf seine Männer verlassen. Dass er an diesem Ort überhaupt zu schlafen vermochte, nachdem er mitangesehen hatte, wie Lady Devetaki Schädellarve seinen Vorgesetzten entführte, zeigte, wie viel Vertrauen er in seine Soldaten setzte. Allerdings war Krasin auch hart wie Stahl. Ihm war klar, dass es nichts an den Tatsachen änderte, wenn er jetzt wach blieb. Besser im Morgengrauen mit klarem Kopf und frisch ausgeruht aufstehen ...
Also legte er sich vor der Glut eines Kaminfeuers nieder und baute darauf, dass seine Männer wachsam waren. Wären sie in Russland gewesen, hätte noch nicht einmal eine Maus ungesehen an ihnen vorüberschlüpfen können.
Doch dies war nicht Russland ...
An der Stirnseite der Feste, auf halber Höhe, hielten vom Balkon eines schiefergedeckten Mauerturms aus ein Unteroffizier und ein Gefreiter Wache. Genau in der Mitte zwischen dem gähnenden Höhleneingang und dem höchsten Wachturm gelegen, ragte das Türmchen wie der Schnabel eines Raubvogels aus der zerklüfteten Fassade hervor. Die Männer unter dem schräg abfallenden Schieferdach dienten ihm als Augen. Die Augen der Männer schimmerten blau im Glanz der wie glitzernde Eissplitter am Himmel festgefrorenen Sterne. Seit fünf Stunden standen sie nun schon hier, und so langsam wurden sie müde. Noch eine Stunde bis zur Ablösung, dann konnten sie sich in ihre Schlafsäcke sinken lassen.
Fünfundvierzig Meter unter ihnen erstreckte sich blau beglänzt im Schatten der gewaltigen Mauern der Innenhof. Wo die Schatten am dichtesten waren, glomm eine Zigarette auf. Ferne Schritte und der leise »Wer da«-Ruf des Postens, der Streife ging, drangen zu ihnen hinauf. Im nächsten Augenblick sah man die Glut einer zweiten Zigarette aufleuchten, zwei Glühwürmchen, die in der Finsternis nahe dem Tor zueinanderfanden.
Die Nacht war still. Hin und wieder erscholl in der Ferne der Ruf eines Käuzchens, oder ein Nachtfalter, halb so groß wie die Hand eines ausgewachsenen Mannes, schwirrte, sich immer in der Nähe der Felswand haltend, um der Aufmerksamkeit der Fledermäuse zu entgehen, im Dunkel an ihnen vorüber. Vom Grund der Schlucht stieg ein leichter Nebel auf. Die wabernden Dunstschleier schienen ein merkwürdiges Eigenleben zu führen, wogten hin und her und wurden offenbar von den Toren der Feste zurückgehalten. Plötzlich verstummte das Käuzchen, der letzte Falter schoss surrend davon, und mit einem Mal schien die Stille greifbar ...
Um das Schweigen zu brechen, rutschte der Unteroffizier in dem Mauertürmchen unruhig von einem Fuß auf den anderen und sagte: »Der Gefreite Bykov ist ein bisschen spät dran mit seinem Signal.« Damit beugte er sich über die Brüstung des Balkons, reckte den Hals, um zu dem Wachturm über ihnen hinaufzustarren, und hielt seine Taschenlampe hoch. Er betätigte den Schalter. Der Lichtstrahl entriss die karge Steinfassade und düster gähnende Fensteröffnungen der Dunkelheit. Der Unteroffizier wartete, doch nichts tat sich. Das Antwortsignal blieb aus.
»Eingeschlafen«, meinte der Gefreite, der mit ihm Wache schob. »Wollen Sie ihm das zum Vorwurf machen, Unteroffizier Zorin? Da oben in seinem Turm kann ihm doch sowieso niemand was anhaben!«
»Ich werde ihn trotzdem zur Rechenschaft ziehen«, antwortete der Unteroffizier mit einem gereizten Knurren. »Er wurde nicht seiner Sicherheit wegen da oben postiert und auch nicht um unsretwillen, sondern um die gesamte Feste zu schützen. Von dort aus kann er alles überblicken – den Pass in beide Richtungen, die Zugänge zur Feste, den Innenhof, den Weg, den die Fußstreife nimmt ... einfach alles. Das heißt, er könnte es, wenn er nicht schlafen würde!«
Wie um Zorins Worte zu unterstreichen, rieselte von oben etwas Mörtel oder feiner Staub herab; ein Steinchen prallte von einem Sims ab und wurde in die Tiefe geschleudert. Doch während der Unteroffizier zusammenfuhr, kicherte sein Untergebener lediglich in sich hinein. »Er schläft also doch nicht, er ist nur gerade beschäftigt.«
»Eh?« Der Unteroffizier legte die Stirn in Falten. »Beschäftigt?«
»Vasily Bykov ritzt mit seinem Armeemesser ständig an irgendwelchen Steinen herum. Er macht Skulpturen, das ist sein Hobby. Wahrscheinlich hat er gerade eine Handvoll Splitter von
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