Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
dem Fenstersims da oben gefegt.«
Die Falten auf Zorins Stirn wurden tiefer. »Dann hätte er aber trotzdem den Strahl meiner Taschenlampe sehen und antworten müssen.«
Ein kaum wahrnehmbares Achselzucken aus der Düsternis. »Vielleicht sind seine Batterien leer. Ich musste meine schon zweimal wechseln.« Ein Klicken erscholl, und in dem Mauertürmchen wurde es hell. Zorin warf vom Balkon aus einen Blick zurück zu seinem Untergebenen, der sich die Taschenlampe so vors Gesicht hielt, dass es wie eine Dämonenfratze aussah. Über ihnen, wo der Lichtstrahl über uralte Holzbalken und die klaffenden Lücken zwischen den Schieferschindeln glitt, herrschte nichts als ... Schwärze. Kein einziger Stern war zu sehen.
Wolken?, fragte Zorin sich verwundert. Noch vor einer Sekunde ... war das Sternenlicht zwischen den Lücken hindurchgesickert. Und über dem Pass wirkte der Himmel vollkommen klar.
Die Dachschräge überragte fast den gesamten Balkon. Zorin beugte sich zurück, stellte sich auf die Zehenspitzen und ließ den Strahl seiner Taschenlampe am Dach entlanggleiten ... Da bewegte sich etwas!
Beinahe so, als sei das Dach von einem Pelz überzogen oder mehrere Zentimeter hoch mit Moos oder Flechten bedeckt, die sich im Lichtschein zu bewegen schienen – bis Zorin feststellte, dass sie sich tatsächlich bewegten! Er holte tief Luft und langte nach seiner Maschinenpistole. Doch zu spät!
Mit dem Kopf nach unten hing Lord Wamus von den Wamphyri wie eine Schnecke auf einem Felsen lang ausgestreckt auf dem Dach und schob sich Stück für Stück vorwärts. Als der Lichtstrahl ihn streifte, hob er den Kopf, öffnete seine blutroten Augen und fauchte Zorin direkt ins Gesicht. Keine vierzig Zentimeter trennten die beiden voneinander!
Zorins Untergebener vernahm den Stoßseufzer seines Unteroffiziers und sah, wie dessen Hand an den Riemen der Maschinenpistole fuhr, die ihm über die Schulter hing; und er bemerkte noch etwas anderes, Unglaubliches, das ihn entsetzt aufheulen ließ – zwei riesige, flache Hände mit langen, knochigen Fingern, zwischen denen sich Flughäute spannten, und Nägeln wie Angelhaken! Mit butterweichen Fingern griff auch er nach seiner Waffe. Die Hände streckten sich über den ausgekehlten Rand des Daches, packten Zorin am Kopf und hoben ihn frei aus dem Turm heraus! Wild mit den Beinen zappelnd verschwand er außer Sicht. Ein ersticktes Gurgeln ... und ein Körper sauste vorbei, von oben in die Schlucht geschleudert! Unteroffizier Zorins lang gezogener Schrei verstummte erst, als er auf dem Boden aufschlug.
Mit einem Angstschrei stieß der Gefreite, nun allein in seinem Mauerturm, den Lauf seiner Waffe gegen eine lose Schindel direkt über seinem Kopf. Sie rutschte weg und fiel in die Tiefe. Gott sei Dank konnte man durch die Lücke wieder die Sterne sehen. Vielleicht war es aber doch kein so großes Glück, denn das Dunkel rückte immer näher.
Das Licht von der in den Glanz der Sterne getauchten Schlucht wurde ausgeblendet, als habe jemand einen Vorhang zugezogen. Mit angehaltenem Atem senkte der Soldat den Blick und richtete ihn erneut auf den Balkon ... wo Lord Wamus in sein Blickfeld geriet, der kopfüber, mit ausgestreckten Armen, quallengleich über den Rand des Daches ins Innere des Türmchens glitt! Noch immer mit dem Kopf nach unten hielt er sich mit seinen riesigen Fledermaushänden an der ausgekehlten Kante fest und landete mit einer Rolle auf dem Boden. Einen flüchtigen Moment lang kauerte der Vampirlord dort und kehrte dem Soldaten den gekrümmten, von schwarzen Venen durchzogenen Rücken mit den gefalteten Fledermausschwingen zu. Endlich brachte der Mann seine Waffe in Anschlag und machte Anstalten, den Abzug durchzuziehen.
Doch durch die Lücke, an der sich eben noch die Schindel befunden hatte, reckte sich ein dürrer, ledriger Arm und riss ihm die Waffe aus den vor Angst wie gelähmten Händen. Von dort oben funkelte ihn eine weitere Gestalt, die genauso aussah wie Wamus, an. Unterdessen hatte sich der Vampirlord umgedreht.
Der Soldat blickte in die glühenden Augen eines Dämons, spürte den heißen, kupfrigen Atem aus der gewundenen, abgeflachten Fledermausschnauze und den weit aufgerissenen, rot gerippt klaffenden Kiefern und versuchte seinen plötzlich kraftlosen Beinen den Befehl zu geben, kehrtzumachen und wegzulaufen ... weg ins Innere der Feste, die endlosen steinernen Treppen hinab zum Innenhof und hinaus in die Gesellschaft anderer Menschen ... oder, besser
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