Nele und der indische Prinz - Nele ; [6]
Gedankenpause sagte sie: »Das hört sich auch viel netter an.«
Nele musterte ihre Großtante prüfend. Auch wenn sie Liebesgeschichten höchst albern fand, war sie nicht total blind. »Bist du etwa in den Usi verknallt, Tante?«, fragte sie.
Großtante Adelheid wurde puterrot. »Unsinn. Totaler Unsinn.« Sie schwieg.
»Tante Adelheid???«, rief Nele alarmiert. »Auch Erwachsene dürfen nicht schwindeln.«
Adelheid guckte ertappt. »Ich war mal in ihn verliebt. Wir waren sogar drei Tage miteinander verlobt. Aber das ist schon eine halbe Ewigkeit her.«
Nele runzelte die Stirn. Eine halbe Ewigkeit war ein dehnbarer Begriff, das hatte sie gerade erst gemerkt. Eine Woche Klassenausflug, weit weg von Zuhause, war ihr schließlich auch wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen.
Wie lange dauerte eine halbe Ewigkeit dann für Großtante Adelheid?
»Wie viel Zeit ist das genau?«, fragte sie deshalb streng. Schließlich war Großtante Adelheid mit Sir Edward verheiratet. Mindestens eine drei viertel Ewigkeit.
»Eine halbe Ewigkeit ist fast so viel wie eine ganze Ewigkeit«, antwortete ihre Großtante. »So lange, dass ich mich gar nicht mehr erinnern kann, wie Usi aussieht. Ich weiß nur noch, dass er sehr gut aussieht.«
Nele schüttelte besorgt den Kopf. Mit diesen komischen Rechenspielen wäre Frau Kussmund in der Mathearbeit nicht einverstanden gewesen. Da war sie sicher. Die stimmten doch hinten und vorne nicht. Dabei verwaltete Großtante Adelheid die Haushaltskasse, und das klappte prima. Am Ende des Monats war immer noch jede Menge Geld für was Besonderes übrig. Pizza für alle zum Beispiel. So wie gestern.
»Ein Kleid ziehe ich aber nicht an«, preschte sie nach vorne.
»Ist in Ordnung«, antwortete Großtante Adelheid und starrte ein Loch in die Zimmerdecke, als wäre sie sehr weit weg mit ihren Gedanken.
»Und ich hätte jetzt sofort supergerne heiße Schokolade und ein geschmiertes Brötchen«, fuhr Nele fort.
»Ist in Ordnung«, antwortete Großtante Adelheid träumerisch und rührte sich nicht vom Fleck. Dafür löffelte sie sich fünfmal Zucker in ihren Kaffeebecher und füllte ihn mit Milch auf. Sonst trank sie ihren Kaffee immer rabenschwarz und bitter.
»Ist in Ordnung, Tante Adelheid«, stöhnte Nele. Sie stand auf, mischte sich eine Schale Müsli mit Joghurt und verschwand damit ins Wohnzimmer, um mit Tanne zu telefonieren. Der Besuch von Prinz Usi versprach ja heiter zu werden.
Das dritte Kapitel
beginnt mit kratzigen Liebeserklärungen
geht mit einem verkorksten Hofknicks weiter
lässt Nele Bekanntschaft mit einem echten
Äffchen machenund bringt Plemplem so richtig
Auf die Palme
»Sie sind da! Nele, komm schnell, das musst du sehen!« Nele schoss in zwei Sekunden nach draußen. Wenn ihr Bruder David etwas so dringend machte, dann war es wirklich allerhöchste Eisenbahn.
Auf der schmalen Straße rollten zwei Autos langsam auf die Burg zu. Die Fahrzeuge waren so groß und breit, dass nicht mal mehr eine Katze an ihnen vorbeihuschen konnte, und glänzten so schwarz wie die Lackschuhe, die Großtante Adelheid anzog, wenn sie sich besonders schick machte.
»Donnerwetter«, sagte Robert Winter und öffnete das Burgtor sperrangelweit. »Auf so einem Auto sieht man doch jeden Fingerabdruck. Echt unpraktisch.«
David schüttelte den Kopf. »Finde ich gar nicht, Papa. Hoffentlich fährt der Prinz mich mit seinem Schlitten in die Schule. Das wäre ja unheimlich cool.« Bei dieser Vorstellung strahlte er über das ganze Gesicht.
Barbara Winter schüttelte ungläubig den Kopf. Wie immer hatte sie ihren Fotoapparat umgehängt und schoss gleich mal ein paar Bilder für ihre Zeitung. »Ich finde die Autos ein wenig angeberisch. Wieso verreist ein Mensch mit zwei Autos auf einmal?«
Wieder hatte David eine Erklärung. »In dem einen sitzen natürlich die vielen Leibwächter vom Prinzen. Guckst du kein Fernsehen, Mama?« Er rannte mitten auf die Straße und winkte mit beiden Armen.
»Leibwächter?«, kicherte Barbara Winter. »Vor wem fürchtet er sich denn? Vor dem Schlossgespenst?« Dann fiel ihr plötzlich etwas ein und sie machte ein besorgtes Gesicht. »So viele Betten habe ich aber nicht bezogen. Wieso hat mir keiner vorher gesagt, dass noch mehr Leute kommen?«
Sie guckte sich vorwurfsvoll nach Großtante Adelheid um. »Wo bleibt nur Tante Adelheid? Es ist ja schließlich ihr Besuch. Geh sie mal schnell holen, Nele.«
Aber bevor Nele sich noch auf die Suche nach ihrer Großtante machen
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