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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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aber!« Sie hob die Hand mit dem Küchenmesser und wackelte damit bedeutungsvoll. »Dabei war er nicht einmal Schauspieler, sondern Kaufmann und Fabrikant. Und trotzdem ein Filou. >Mais mon sucré cœur<, sagte er zu mir, wenn ich ihm wieder auf die Schliche kam, >das sind doch alles keine ernsthaften Affären! Ein wenig Tralala, nichts weiter!< Nun, für mich war das Tralala ernsthaft genug. So ernsthaft, daß ich ihm zweimal ausrückte.«
    »Aber Sie sind jedesmal zu ihm zurückgekehrt, nicht wahr?«
    »Natürlich bin ich zu ihm zurückgekehrt! Oder sollte ich etwa das Feld den Schneegänsen räumen, an deren weißem Gefieder er sich zuweilen die Finger wärmte? Nein, das kam nicht in Frage! Aber ich habe ihn jedesmal tüchtig zappeln lassen.«
    »So?« fragte Heliane interessiert.
    »Übrigens war ich trotz meiner Jugend klug genug, nicht zu meinen Eltern zu gehen. Leben denn Ihre Eltern noch, Frau Pforten?«
    »Ja, sie leben beide noch, gnädige Frau.«
    »Nun, meine Eltern hatten mich vor der Ehe mit einem um zwanzig Jahre älteren Mann gewarnt, sicherlich aber nicht aus dem Grund, weshalb ich ihm ausrückte. — Ich hatte eine alte Tante in Zürich, unverheiratet, aber lebenserfahren, als ob sie mit einem ganzen Regiment Schweizer Söldner verheiratet gewesen wäre — der schüttete ich mein Herz aus. Und Tante Josephine war es, die mich einsperrte oder mir den Rock wegnahm, wenn ich vor lauter Sehnsucht nach Charles schon am dritten Tag nach Yverdon zurücklaufen wollte. >Auf diese Weise erziehst du deinen Kerl nie!< sagte sie dann, und sie hatte natürlich völlig recht damit.«
    Heliane hob den Kopf und sah die alte Dame mit einem langen Blick an. Auch die alte Dame hob den Kopf und begegnete ihren Augen mit dem harmlosesten Gesicht von der Welt. Mein Gott, sie hatte eben ein bißchen von der Vergangenheit geplaudert.
    »Sie meinen also, gnädige Frau, daß ich hierbleiben soll?« fragte sie.
    »Oh«, sagte die alte Dame mit rundem Mund und runden Augen, »haben Sie mit Ihrem Pforten das gleiche erlebt?«
    »Ich weiß nicht, ob es das gleiche ist, gnädige Frau. Aber eine Ähnlichkeit besteht auf jeden Fall.«
    »Dann bleiben Sie selbstverständlich hier!«
    »Wie lange pflegten sie bei Tante Josefine zu bleiben?«
    »Das erstemal waren es vierzehn Tage, und das zweitemal drei Wochen...«
    »Und dann war er sicher endgültig kuriert?« fragte Heliane gespannt.
    »Ich hoffe es!« sagte die alte Dame zuversichtlich. »Aber ich weiß es nicht genau. Charles starb leider bald darauf an einer Lungenentzündung. Er war immer sehr leichtsinnig und trug nie lange Unterwäsche. Leichtsinn, Eitelkeit, kurze Unterhosen und ein sehr kalter Winter — alles kam zusammen.«
    »Haben Sie ihn sehr geliebt, gnädige Frau?«
    »Aber Kind«, sagte die alte Dame, »was für eine Frage! Natürlich habe ich ihn geliebt, sonst wäre ich doch nicht immer wieder zu ihm zurückgegangen. Ehrlich gesagt, ich habe bei Tante Josefine immer wie auf glühenden Kohlen gesessen. Es war gar nicht angenehm. — Geht es Ihnen auch so?«
    Heliane zögerte mit der Antwort. Sie machte ein Gesicht, als prüfe sie die Temperatur ihrer Sitzgelegenheit und als käme sie zu dem Ergebnis, auf dem Küchenstuhl zwar hart, aber nicht besonders heiß zu sitzen.
    »Ach, gnädige Frau«, sagte sie schließlich, »Michaels Seitensprünge, wenn es überhaupt welche waren, nehme ich nicht so tragisch. Er war nie ein sehr feuriger Liebhaber, und ich kann mir eigentlich gar nicht vorstellen, daß er es inzwischen geworden sein sollte. Aber da ist eine andere Sache, die mir Kummer macht...«
    »Die Geschichte mit dem Hund, nicht wahr?«
    »Hat Marcel...«
    »Nicht doch, mein Kind! Marcel ist schweigsam wie ein Stein. Aber man kann schließlich auch Steine zum Reden bringen, wenn man die richtigen Mittel anwendet.«
    »Die Forschernatur hat Marcel jedenfalls von Ihnen, gnädige Frau, nicht wahr?«
    »Ja, das möchte ich auch annehmen.« Die alte Dame nickte.
    »Die Geschichte mit dem Hund...«, murmelte Heliane bedrückt, »ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr sie mich verstört hat. Wenn man mit einem Mann fünfzehn Jahre lang verheiratet ist, dann glaubt man ihn doch zu kennen!«
    »Irrtum!« sagte die alte Dame resolut. »Ich kenne mich jetzt fünfundsiebzig Jahre und erschrecke immer wieder vor unbekannten Abgründen, die ich in mir entdecke. Wie soll man da einen anderen Menschen durchschauen?«
    »Diese Herzlosigkeit!« rief Heliane in neu aufflammender

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