Nelson DeMille
beschienene Wasser auf Frank Bellarosa zu. Ich sehe, dass er jetzt nackt ist und mit verschränkten Armen dasteht. Er ist ein großer, kräftig gebauter Mann, und im Mondschein wirkt er ebenso imposant und bedrohlich wie der nackte steinerne Gott neben ihm.
Ich möchte Susan zurufen, sie warnen, dass sie umkehren soll, aber irgendetwas sagt mir, dass ich besser schweigen sollte, beobachten, was geschieht.
Susan erreicht die andere Seite des Teiches und zieht sich in die mit Wasser gefüllte Muschel, wo sie neben der hoch aufragenden Neptunstatue stehen bleibt.
Sie blickt zu Bellarosa auf, der sich nicht vom Rand des Teiches wegbewegt, ihr aber das Gesicht zugewandt hat.
Sie blicken einander an, unnatürlich reglos, dann steigt Bellarosa in das seichte Wasser der Muschel und bleibt vor Susan stehen.
Sie reden miteinander, aber ich höre nur das Rauschen des ausgespienen Wassers. Ich bin empört über diesen Anblick, kann immer noch nicht glauben, dass Susan hier sein will, und warte darauf, dass sie wieder in den Teich springt und von ihm wegschwimmt. Doch je länger sie nackt vor ihm stehen bleibt, desto bewusster wird mir, dass sie hergekommen ist, um sich mit ihm zu treffen.
Als ich jede Hoffnung aufgebe, dass Susan wieder in den Teich springt und wegschwimmt, kniet sie sich in das seichte Wasser, beugt sich zu seinem Unterleib und nimmt ihn in den Mund. Ihre Hände umfassen sein Gesäß und ziehen ihn näher zu ihrem Gesicht.
Ich schließe die Augen, und als ich sie wieder öffne, liegt Susan rücklings in der Muschelschale, hat die Beine weit gespreizt und lässt sie über den Rand hängen. Bellarosa steht jetzt in dem spiegelnden Teich und vergräbt das Gesicht zwischen ihren Schenkeln. Dann legt er sich Susans Beine über die Schulter und scheint sich förmlich aus dem Wasser zu erheben, als er mit einem kraftvollen Stoß, der ihr ein
dumpfes Aufkeuchen entlockt, in sie eindringt. Er stößt weiter grob in sie, bis sie so laut schreit, dass ich erschrecke.
»Mr Sutter! Mr Sutter! Sir, wir setzen zur Landung an. Bitte legen Sie Ihren Sicherheitsgurt an.«
»Was ...?«
»Wir setzen zur Landung an«, sagte eine Frauenstimme. »Sie müssen sich anschnallen und Ihre Sitzlehne aufrecht stellen.«
»Oh ... « Ich rückte meine Lehne zurecht, schnallte mich an und stellte fest, dass der kleine John ebenfalls aufrecht stand. Meine Güte. Ist das peinlich. Wie kommt das? Dann erinnerte ich mich an meinen Traum ...
Ich habe Susan nie gefragt, wie, wann und wo ihr Verhältnis mit Frank Bellarosa anfing - so was will man nicht in allen Einzelheiten hören -, deshalb fehlte mir dieses Wissen. Mein Seelenklempner, wenn ich denn einen hätte, würde sagen, dass mein Traum ein unbewusster Versuch gewesen sei, diese Lücke zu füllen - das fehlende Stück dieser Affäre. Nicht dass es ein Jahrzehnt nach der Scheidung noch eine Rolle gespielt hätte. Was die juristische Seite anging, hatte ich sie des Ehebruchs bezichtigt, und sie hatte sich schuldig bekannt. Der Staat verlangte weder
Auskunft über irgendwelche pikanten Einzelheiten noch eine umfassende Aussage. Ich sollte es also auch nicht tun.
Die Maschine der British Airways überquerte auf ihrem Flug von London nach New York den Long Island Sound und setzte zur Landung am John F. Kennedy International Airport an. Es war ein sonniger Tag, kurz nach sechzehn Uhr, am Montag, dem 27. Mai, und mir fiel ein, dass in Amerika heute Memorial Day war, der Tag, an dem man der Kriegstoten gedenkt. Unter mir konnte ich an der Nordküste von Long Island eine Gegend namens Gold Coast sehen, wo ich früher, zehn Jahre zuvor, gewohnt hatte. Wenn ich genau hinschaute, könnte ich wahrscheinlich sogar die großen benachbarten Anwesen ausmachen, sowohl Stanhope Hall als auch das, was einst Alhambra gewesen war.
Ich wohnte bislang in London und kehrte nach Amerika zurück, um eine alte Frau zu besuchen, die im Sterben lag oder während meines siebenstündigen Fluges durchaus gestorben sein könnte. Wenn ja, kam ich rechtzeitig zur Beerdigung, bei der ich Susan Stanhope Sutter begegnen würde.
Angesichts des Todes könnten wir gezwungen sein, uns ein paar grundsätzliche Gedanken über die Kürze des Lebens zu machen und unsere vielen Enttäuschungen, Verbitterungen und Treuebrüche, von denen wir anscheinend nicht ablassen können, noch einmal zu überdenken. Leider jedoch nehmen wir diese Dinge für gewöhnlich mit ins Grab oder zum Grab des Menschen, dem wir zu Lebzeiten
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