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Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Titel: Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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haben und war, soweit ich das erkennen konnte, ebenfalls nahezu kreisrund angelegt, und an seinem linken Rand ragte eine Art Hügel empor, auf dem sich ein dunkles und sonderbar kantig wirkendes Gebilde erhob; ein außergewöhnlich großes Haus, eine kleine Burg, ein Aussichtsturm — ich war auf reine Mutmaßungen angewiesen, denn das Gebäude war nicht beleuchtet. Was nahezu für die gesamte Stadt galt. Falls es so einen Luxus wie Straßenlaternen gab, so waren sie nicht eingeschaltet, und auch in den meisten Gebäuden brannte kein Licht. Der Mond war nur eine kaum fingerbreite Sichel, die kein nennenswertes Licht spendete, und der Himmel hatte sich seit unserer Abfahrt zunehmend bewölkt, sodass auch das Licht der wenigen Sterne nahezu vollkommen aufgesogen wurde.
    Dennoch glaubte ich zu erkennen, dass die meisten Gebäude niedrig und irgendwie altertümlich aussahen — aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Es war fast vollkommen dunkel, und wahrscheinlicher war wohl, dass meine Fantasie sich zusammenbastelte, was meine Augen nicht zu erkennen imstande waren. Nach allem, was ich erlebt und gehört hatte, musste Crailsfelden einfach eine mittelalterliche Stadt mit kleinen, schindelgedeckten Fachwerkhäusern, wuchtigen Türmen und einer fünf Meter hohen Stadtmauer aus moosbewachsenen Quadern sein.
    Ganz unpassend zu diesem Eindruck war das erste Gebäude, an dem wir vorüberkamen, eine Tankstelle.
    Sowohl die Leuchtreklame als auch die Lichter hinter der großen Scheibe des Tankwarthäuschens waren abgeschaltet, aber ich erhaschte einen flüchtigen Eindruck von wuchtigen Tanksäulen, die ganz bestimmt nicht über einen Eingabeschlitz für Kreditkarten und schon gar nicht über eine moderne Elektronik verfügten, die schädliche Restgase aus den Zapfhähnen absaugte. Das Gebäude dahinter war jedoch tatsächlich ein Fachwerkhaus, das allerdings zweieinhalb Stockwerke hoch war, nicht eines. Außerdem stand auf dem Dach eine anderthalb Meter durchmessende Satellitenschüssel. So viel zu der Behauptung meines Chauffeurs, es gebe hier weder Fernseher noch Handys.
    Darüber hinaus jedoch schien sein Urteil über Crailsfelden der Wahrheit unangenehm nahe zu kommen. Der Wagen wurde langsamer, als wir uns dem Zentrum näherten und schließlich von der Hauptstraße in eine der wenigen Seitenstraßen einbogen, aber ich sah nur sehr wenige Menschen, obwohl es eigentlich noch nicht sehr spät war. Die wenigen Crailsfeldener, die sich trotzdem aus den Häusern gewagt hatten, schienen sich schnell und geduckt zu bewegen, als wären sie auf der Flucht.
    Vielleicht mochte man hier aber auch einfach keine Fremden.
    Und letztendlich war es mir auch egal. Meinetwegen konnte Crailsfelden buchstäblich hinter dem Mond liegen und von geklonten Nachkommen des Glöckners von Notre-Dame bevölkert sein — ich würde meine zwölf Wochen hier abreißen und als gemachter Mann nach Hause zurückkehren.
    Der Gedanke hatte etwas tiefsinnig Komisches, fand ich.
    Ich war als Deutscher nach Amerika gegangen, um dort mein Glück zu machen — die übliche Geschichte. Vom Tellerwäscher zum Millionär. Wobei ich den Teil mit dem Tellerwäscher ziemlich gut hingekriegt hatte, irgendwo auf dem Weg zum anderen Ende dieses Mottos aber kläglich gescheitert war. Nun ging ich als Amerikaner nach Deutschland und würde als Millionär zurückkehren — und wahrscheinlich just for fun meinen eigenen Tellerwäscher einstellen, und sei es nur für eine Weile.
    »Wir sind dann gleich da«, brummte der Taxifahrer. Ich sah irritiert nach vorne, begriff erst dann, was er wirklich meinte, und griff hastig in die Jacke, um meine Brieftasche hervorzuziehen und die vereinbarte Summe abzuzählen, was mir nicht besonders schwer fiel. Es war so ziemlich alles, was ich noch besaß. Der Wagen bog in eine weitere, noch schmalere Straße ein, wurde langsamer und hielt schließlich an, nachdem die Scheinwerferstrahlen kurz und geisterhaft über die Fassade eines schmucklosen Backsteingebäudes gestrichen waren. Ich bezahlte, stieg aus und nutzte die Zeit, die der Fahrer brauchte, um meine Reisetasche aus dem Kofferraum zu holen und sie mir missmutig vor die Füße zu knallen, um das Gebäude genauer in Augenschein zu nehmen.
    Nicht dass es viel zu sehen gegeben hätte. Ein einfacher, anderthalbgeschossiger Bau aus rotbraunen Ziegeln, an denen der Kalk weiß ausblühte, blassgelbes Licht, das aus kleinen Sprossenfenstern fiel, und zahlreiche Dachgauben.
    Ein

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