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Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Titel: Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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… Miriam genannt?«
    »Miriam?« Ich erschrak; mehr, als ich mir selbst eingestehen wollte.
    »Vorhin, als ich … gestürzt bin«, sagte Judith, leise und stockend, aber dennoch mit fester Stimme. »Du hast mich Miriam genannt.«
    »Du musst dich irren«, behauptete ich. »Ich kenne keine Miriam.« Warum tust du mir das an?
    Judiths Blick machte es überflüssig, irgendetwas auf diese Behauptung zu erwidern. Ich hielt ihm auch nur noch eine Sekunde lang stand, dann drehte ich mich fast hastig herum und eilte mit so weit ausgreifenden Schritten hinter Ed her, dass es schon fast einer Flucht gleichkam.
    Ed fummelte mit einem Stück Draht am Türschloss des Landrovers herum, als ich ihn erreichte. Ich konnte nicht genau sehen, was er tat, aber plötzlich hörte ich ein halblautes, schweres Klacken und die Tür schwang mit einem erbärmlichen Quietschen auf. Ed rutschte auf den Fahrersitz, beugte sich zur Seite und entriegelte die Beifahrertür.
    »Der Herr haben ein Taxi bestellt?«, griente er.
    Ich verzichtete auf eine Antwort, stieg in den Wagen und knallte die Tür übertrieben laut hinter mir zu. Ed griente unerschütterlich weiter, griff unter das Lenkrad und zerrte ein buntes Knäuel Kabel hervor. Ich konnte auch jetzt nicht wirklich erkennen, was er tat, aber es verging nur ein kurzer Moment, ehe der Motor des Landrovers mit einem schrillen Heulen ansprang.
    »Na also!«, jubelte Ed. Er war erstaunlich schnell im Kurzschließen von Autos. Ich fragte mich, welchen Beruf er wohl ausübte. Aber eigentlich wollte ich es gar nicht so genau wissen …
    Ed sah aus dem Fenster. »Fein, die Seitenspiegel sind noch angelegt. Dann verlassen wir mal mit Vollgas dieses verdammte Geisterschloss.«
    Er setzte mit quietschenden Reifen zurück, zog mit einem brutalen Ruck die Handbremse an und ließ den schweren Wagen ebenso gekonnt wie angeberisch halb um seine Achse schlittern, bis er mit der Schnauze voran auf das Tor zeigte. Das war der Moment, in dem ich mich an den Sinn von Sicherheitsgurten erinnerte.
    »Angst?«, grinste Ed. Vielleicht war ja jetzt der ideale Moment, mich an meine guten Vorsätze zu erinnern und ihm die Zähne einzuschlagen. Am besten, bevor er weiterfuhr. Stattdessen starrte ich ihn nur weiter an wie das berühmte hypnotisierte Kaninchen die Schlange. »Keine Sorge. Ich bin ein guter Fahrer.«
    Dein Wort in Gottes Ohr, dachte ich und schloss den Sicherheitsgurt.
    Ed kicherte, schenkte mir ein noch breiteres und diesmal eindeutig schadenfrohes Grinsen und trat das Gaspedal mit einem einzigen Ruck bis zum Bodenblech durch. Der Motor des Landrovers heulte gequält auf und die Reifen drehten auf dem nassen Kopfsteinpflaster im allerersten Moment durch. Dann griff das grobstollige Profil, und der Wagen schoss mit einem Ruck los, der anscheinend nicht nur mich überraschte. Ed riss erstaunt die Augen auf und klammerte sich ein wenig fester an das zerschrammte Lenkrad, aber er reagierte dennoch zehnmal schneller, als ich es jemals gekonnt hätte. Der Wagen schoss auf das Burgtor zu und für einen Moment wirbelten mir die Bilder aus meinem Alptraum von vorhin durch den Kopf: ein riesiges Tor, das mir entgegensprang, uralte hölzerne Flügel, die sich plötzlich in die gigantischen Schwingen einer noch gewaltigeren Alptraum-Fledermaus verwandelten, ein Monster, das mich verschlingen würde, mich und Miriam und — Ed trat auf die Bremse, ließ den Wagen mit einem brutalen Ruck nach rechts und einen Sekundenbruchteil später mit einem noch härteren Ruck in die Gegenrichtung schleudern und brachte irgendwie das Kunststück fertig, das motorisierte Zweitonnengeschoss gegen alle Regeln der Physik und der Wahrscheinlichkeit nicht nur weit genug abzubremsen, sondern es auch genau auf Kurs zu halten.
    Wir zerschellten also nicht an der Seite des gemauerten Torbogens, sondern schössen präzise in das finstere Gewölbe hinein, ohne die steinernen Wände zu berühren, die auf beiden Seiten nur Zentimeter entfernt schienen. Ich schrumpfte regelrecht auf dem Sitz zusammen und klammerte mich gleichzeitig mit beiden Händen an dem Sicherheitsgurt fest, der sich schräg über meine Brust spannte.
    »Was ist los mit dir, Kleiner?«, kicherte Ed. »Du hast doch nicht etwa Angst? Deinen Mangel an Vertrauen könnte ich glatt als Kränkung auslegen, weißt du?«
    Selbst wenn ich fähig gewesen wäre, zu antworten — was ich nicht war —, wäre ich nicht mehr dazu gekommen. Der Landrover schoss, langsamer werdend, aber immer

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