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Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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hinter dem sternenlosen Nachthimmel gesteuert, dem nur der silbrig scheinende, blasse Mond einen unwesentlichen Deut kühles Licht verlieh. Doch Marias Marionette trug ein bordeauxrotes Kleid und hatte langes, seidenglattes, pechschwarzes Haar und große, dunkle Augen. Sie sah aus wie Miriam!
    »Tanz!«, sagte Maria kalt, während sie an den Fäden der kleinen Holzpuppe zerrte, wobei ihre eigenen Bewegungen, von den hauchdünnen Schnüren, die aus dem Himmel hinabreichten und fest um ihre Hand- und Fußgelenke gebunden waren, gesteuert wurden. Ihre Bewegungen wirkten dabei ebenso ruckartig und unecht, wie die der kniehohen Figur vor ihren Füßen.
    Auf unheimliche Weise wiederholte das schwarzhaarige Mädchen auf den Zinnen jede einzelne der Bewegungen, die Maria ihre Puppe vollführen ließ, so als tanzten sie gemeinsam einen sorgsam choreographierten Tanz.
    Doch die Miriam aus Fleisch und Blut tanzte auf einer winzigen Fläche, auf nicht einmal einem Viertel Quadratmeter in hunderten von Metern Höhe, wie es mir vorkam – eine teuflische Vorführung hoch über dem Burghof, ein Tanz mit dem Tod, während ihre hölzerne Miniaturausgabe sich in der Sicherheit des steinernen Plateaus bewegte. Irgendwo in der Finsternis weit über uns legte ein teuflischer DJ dazu »Lili Marleen« auf, legte die Finger auf das schwarze Vinyl und ließ immer wieder denselben Vers leiern: Solln wir uns da wieder sehn ... solln wir uns da wieder sehn ...
    Immer waghalsiger wurden Miriams Schritte, die sich dem Rhythmus der Sequenz angeglichen hatten, so wie Maria ihr Ziehen an den Nylonsträngen dem Takt der aus weiter Ferne zu uns hindurch dringenden Musik anpasste. Doch während in den Blick der Journalistin dabei nichts als reine Entschlossenheit geschrieben stand, war Miriams Gesicht verzerrt zu einer starren Maske mit weit geöffneten, verträumten Kulleraugen und einem abwesenden Lächeln, so als sei sie gezwungen, sich nicht nur so zu verhalten wie die Marionette zu Marias Füßen, sondern als sei sie gar auf dem besten Wege dazu, sich selbst in eine willenlose Holzpuppe zu verwandeln. Mit eingefrorenem Lächeln drehte sie Pirouetten, hüpfte auf dem kleinen Steinquader herum, beugte sich mehrfach vor und zurück, weit über den Abgrund, um dann im allerletzten Moment gerade noch zurückzutreten. Dann blieb sie plötzlich wie versteinert stehen, als Maria die Fäden ihrer kleinen Puppe straff zog, sich zu ihr hinunterbückte und den Rücken der Figur mit der freien Hand brutal nach vorn knickte. Miriam auf den Zinnen machte eine abgehackt wirkende, aber unglaublich tiefe Verbeugung, sodass ich ihre Wirbelsäule für den Bruchteil einer Sekunde brechen zu hören glaubte.
    »Die Vorstellung ist zu Ende«, ließ Ed verlauten, der auf einmal mit der Stimme eines alten Mannes sprach.
    Das Blut, das aus der klaffenden Wunde, die von seinem Nacken bis fast zu seinem Kehlkopf reichte, gurgelte dabei widerlich, und er grinste mir mit seiner so verhassten, hässlichen Fratze entgegen.
    Das schwarzhaarige Mädchen breitete die Arme aus wie eine Turmspringerin, die einen tollkühnen Salto vom Zehnmeterbrett leisten will. So wolln wir uns da wieder sehn, ließ der unsichtbare DJ den Vers aus »Lili Marleen« sich wiederholen, und noch einmal und endlos immer wieder. So wolln wir uns da wieder sehn ...
    Miriam stürzte sich rücklings in den Abgrund. Ich schrie.
    Auf einmal erkannte ich verschwommen Judiths Gesicht ganz dicht über meinem. Ich spürte ihre Hände auf meinen Wangen, und sie fühlten sich wie Glut auf meiner nasskalten Haut an. »Komm zu dir«, hörte ich sie in flehendem Tonfall auf mich einreden. »Bitte, Frank, komm zu dir.«
    Ich wollte antworten, sie beruhigen, doch mein Herz raste immer noch wie nach einem Marathonlauf, und der pelzige Belag, der sich auf meiner Zunge ausgebreitet hatte, machte mir das Sprechen im Augenblick unmöglich. Das war kein Traum mehr, dachte ich benommen, obgleich »Lili Marleen« noch immer so laut in meinen Ohren widerhallte, dass ich im ersten Moment nicht ganz sicher war, ob nicht tatsächlich jemand einen Plattenspieler aufgetrieben und den alten Schlager aufgelegt hatte.
    Ellen trat in mein Blickfeld und drückte Judith den Napola-Dolch in die Hand. »Halt den Dicken in Schach«, kommandierte sie. »Ich schaue mir Frank an.«
    Die Ärztin hob den Strahler, den sie wieder an sich genommen hatte, direkt vor mein Gesicht, und das gleißende Licht aus der Taschenlampe bohrte sich wie mit

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