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Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Oberkörper nieder, mehr als einmal rammte der Wirt die Knie in meine Weichteile, brüllend, schreiend, fluchend, und auch ich schrie vor Hass, Schmerz und Schrecken, aber das alles berührte mich nicht. Ich war distanziert von meiner eigenen Gestalt, betrachtete alles, was geschah, wie einen Film und aus sicherer Entfernung heraus, hätte vielleicht seufzend den Kopf geschüttelt über das kindliche Gehabe dieser beiden erwachsenen Männer zu meinen Füßen, hätte ich in diesem Moment nur einen reellen Körper abseits dessen, aus dem ich mich gelöst zu haben schien, gehabt.
    War das Einbildung, ein Traum vielleicht? Oder starb ich gerade, und meine Seele löste sich von meinem Körper!
    Es gab Nahtod-Berichte von Menschen, die ihr Sterben beschrieben wie das, was ich gerade empfand, die berichteten, wie ihre Seele langsam aufgestiegen sei und einen letzten Blick auf die sterblichen Überreste des Ichs, auf jene Hülle geworfen hätte, in die ihr Leben über Jahrzehnte hinweg gesperrt gewesen sei, um dann ohne Eile, doch konsequent auf das Licht zuzusteuern, das nichts als reines Glück bedeutete, die Erlösung aus allen Qualen, die das Leben dem Menschen beschert hatte, die Befreiung aus allen Zwängen und fleischlichen Fesseln.
    Ich empfand keine Angst, im Gegenteil: Ich war erleichtert. Ich würde sterben, und alles war vorbei, vergessen und irrelevant für das, was dem Leben folgen mochte. Ich hielt Ausschau nach dem Licht, nach dieser gleißenden Helligkeit, die heller sein musste als alles, was das menschliche Auge zu erfassen vermochte, und die dennoch nicht blendete. Dunkelheit verschlang mich, doch es war keine beängstigende Schwärze, sondern wohlig warme Finsternis, in der ich mich geborgen fühlte, wie ein Ungeborenes im Mutterleib. Carl, Judith, Ellen und ich selbst verschwanden aus meinem Blickfeld, die Schreie verhallten, und der Schmerz versiegte. Ich bedauerte nichts. Wohin auch immer ich meinen Blick wandte, empfing ihn nur samtene, unendlich vertraut wirkende Schwärze, die wie mit warmen, weichen Händen nach mir griff und meine geplagte Seele streichelte, bis auch die letzte Erinnerung an alles Negative, das das Leben in sie hineingebrannt hatte, restlos verschwand und mich der reinen, gelassenen Wonne überließ.
    Von weit her hörte ich jemanden rufen – ein Kind, ein Mädchen, Miriam! Das Mädchen aus meinen Träumen!
    Auf einmal befand ich mich auf dem mächtigen Turm der Burg, stand mit dem Rücken zu den Zinnen. Die Steine fühlten sich angenehm an, als hätten sie die Wärme eines heißen Sommertages gespeichert und gäben sie nur widerwillig nach und nach wieder ab, weil sie wussten, dass die Kälte, die ihr folgen würde, eisig und kaum wieder zu verdrängen sein würde. Neben mir stand Miriam, ihre zierlichen Finger krallten sich erbarmungslos in meine rechte Hand, sodass in winzigen Tröpfchen Blut aus meinem Handrücken quoll, wo sich ihre Fingernägel tief in mein Fleisch bohrten. Kalter Schweiß ließ unsere Hände zusätzlich aneinander haften, ich drückte ihre Hand nicht weniger entschlossen und fühlte mich, als versuchten wir so aneinander geklammert miteinander zu verschmelzen, um einer gewaltigen Übermacht – worin auch immer diese bestehen mochte – mit buchstäblich vereinten Kräften zu trotzen. Ich hatte Angst, unsagbar große Angst, die alle anderen Gefühle beinahe erstickte.
    Aber eben auch nur beinahe. Irgendetwas stimmte nicht. Das hier war nicht die Wirklichkeit, dessen war ich mir vollkommen bewusst, ohne dass dieses Bewusstsein die Furcht hätte lindern können, die mein Herz rasen und meinen Atem fast hechelnd klingen ließ. Doch dieser Traum unterschied sich von allen, die ich zuvor je gehabt hatte. Langsam blickte ich an meinem Körper hinab. Es war der eines erwachsenen Mannes, nicht der eines Kindes.
    Und ich war nackt, jeder Hülle, jedes Schutzes vor diesem Grauen beraubt, das im Traum auf mich lauerte (das auf Miriam lauerte und sie mir wegnehmen wollte!).
    Wieder stieg Maria aus der Luke auf das oberste Plateau des Turmes hinauf. Auch sie hatte sich verändert. Sie war nicht mehr die schüchterne, graue Maus aus der Burg, als die sie mir zuletzt sogar im Traum begegnet war, sondern trug ein nahezu anstößiges Outfit, das aus einer hautengen, leuchtend roten Bluse, durch deren Ausschnitt ich beinahe auf ihren Bauchnabel hinunterblicken konnte, und einem kurzen, schwarzen Rock bestand.
    »Ich weiß alles!« Die Journalistin Maria sprach mit der

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