Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
dass sie ihre Worte mehr sprach, um Carl zu widersprechen, als um mich zu verteidigen, oder gar, weil sie von ihrem Inhalt überzeugt war. Sie war blass, machte aber Gott sei dank nicht den Eindruck, ihre Fassung in absehbarer Zeit ein weiteres Mal zu verlieren.
    Es gab eine Hand voll Dinge, die ich in diesen Minuten unbedingt gern in meiner Nähe wissen würde. Die meisten dieser Wünsche – eine Kalaschnikow und ein funktionstüchtiges Telefon beispielsweise – blieben mir verwehrt, aber zumindest eine Ärztin hatte das Schicksal mir an die Seite gestellt. »Was hast du jetzt mit uns vor?«, fragte sie an den Wirt gewandt.
    »Ich werde aufpassen, dass hier nicht noch jemand ins Gras beißt, vor allen Dingen ich nicht.« Carl wirkte plötzlich überhaupt nicht mehr überheblich, und auch das anzügliche Lächeln, das sich eben wieder auf sein Gesicht geschlichen hatte, war restlos verschwunden. Er wirkte zum vielleicht ersten Mal, seit ich ihn kennen gelernt hatte, aufrecht und ernst. »Ich werde euch alle schön im Auge behalten, und so überleben wir die Nacht«, sprach er weiter. »Und morgen versuchen wir dann jemanden auf uns hier aufmerksam zu machen.
    Vielleicht kann man ja mit dem Strahler Lichtzeichen geben, SOS morsen oder so.«
    Seine Worte hätten gar nicht so unvernünftig geklungen, wäre ich bereit gewesen, dem Wirt auf nur einen halben Schritt über den Weg zu trauen, aber das war ich nicht, dazu hatte er uns schon zu oft belogen. Ich konnte nicht glauben, dass Carl ernsthaft daran interessiert war, uns zu retten. Es ging ihm nur um seinen eigenen Hintern, davon war ich überzeugt. Er war ein rücksichtloser Egozentriker, was seinen eigenen Schilderungen nach im ganzen Dorf bekannt war. Vielleicht war er ja sogar der Irre, der Ed und Stefan auf dem Gewissen hatte, möglicherweise sogar auch von Thun, denn schließlich war der Wirt hier Hausmeister und hatte damit die besten Voraussetzungen gehabt, ihn durch den vermeintlichen Unfall aus dem Weg zu räumen. Ich wusste nicht, was genau sein Ziel bei all dem war, ob es tatsächlich etwas mit dem illusionären Nazi-Schatz zu tun hatte oder ob seine Motivation eine gänzlich andere, aber wohl kaum weniger egoistische war. Er würde hier seine Sache durchziehen, und ich betete inständig, dass Judith, Ellen und ich das überlebten.
    »Damit wir nicht auf dumme Gedanken kommen, werden wir uns jetzt schön beschäftigen.« Die Ernsthaftigkeit war wieder aus seiner Stimme gewichen und hatte einem spöttischen, arroganten Tonfall Platz gemacht. Der Wirt blickte demonstrativ auf seine billige Armbanduhr.
    »Es sind noch ein paar Stunden bis zum Morgengrauen.
    In der Zeit schauen wir uns noch einmal die Keller an und graben ein bisschen nach dem Schatz.« Er maß Judith mit einem anzüglichen Grinsen, für das ich ihm wahrscheinlich ungeachtet der gefährlichen Waffe in seiner Hand meine geballte Rechte ins Gesicht geschmettert hätte, um sein noch unversehrtes Auge unverzüglich wie das rechte zu verunstalten, wäre ich nicht noch immer so unglaublich schwach gewesen und hätte es in meinem Kopf nicht nach wie vor so erbärmlich gehämmert. »Vielleicht bringt ihr beiden Süßen ja Glück, oder ihr taugt für sonst was«, sagte er in fast zwitscherndem Tonfall und lachte ein kurzes, abgehacktes Lachen.
    »Wer weiß – wenn wir erst einmal kiloweise Zahngold ausgegraben haben, dann ist vielleicht auch der nette, reiche Carl ein wenig interessanter für euch. Geld wirkt ja manchmal Wunder, nicht wahr, ihr Hübschen? Und jetzt helft dem Waschlappen auf die Beine. Wir haben lange genug hier oben in den Zimmern herumgehangen.«
    Er winkte mit der kleinen Pistole in Richtung Tür. »Los, los – ihr werdet schön vor mir hergehen.«
    Judith und Ellen griffen mir unter die Arme und halfen mir auf die Beine, wobei ich mich ungefähr so fühlte, als hätte man mich via Schleudersitz aus einem Düsenjäger katapultiert, ohne daran gedacht zu haben, vorher die Dachluke zu öffnen. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er schlichtweg in Stücke gerissen, und in meinem Magen kochte binnen Bruchteilen von Sekunden ein glühende, schäumende Masse auf, die auszubrechen drohte, wie Lava aus dem Schlund eines Vulkans. Meine Beine drohten im selben Augenblick, in dem sie Bodenkontakt bekamen, gleich wieder unter mir nachzugeben, aber die beiden Frauen hielten mich mit erstaunlicher Kraft aufrecht. Doch als Ellen und Judith mich über die Türschwelle geschleift hatten, war

Weitere Kostenlose Bücher