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Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Titel: Neobooks - Das Leben in meinem Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
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nicht nur die …
    Es ist ein sehr unterhaltsames Stück, dessen Höhepunkte musikalische Einlagen bilden – in Form von Bens Pianospiel und den Gesangsstücken der weiblichen Hauptrolle, einer rothaarigen Sopranistin. Eben diese Dame ist auch für die plötzliche Wendung des ersten Akts verantwortlich.
    Ich schlucke, als Ben die Sängerin in seine Arme schließt. Er biegt sie zurück, beugt sich dabei weit über sie und küsst sie so, wie Rock Hudson es zu seinen besten Zeiten mit Doris Day tat. Ein leiser Schauder rieselt über meinen Rücken hinab. Während der Rest der Zuschauer gebannt die Luft anhält, während absolute Ruhe herrscht und die Luft zu vibrieren scheint, höre ich mich selbst schnauben. Halb entsetzt, halb … erregt?
    So weiche Lippen
!
    Der Anblick des engumschlungenen Paares schürt die Eifersucht auf die Rothaarige und weckt zugleich Erinnerungen.
    Wieder einmal schweifen meine Gedanken zu dieser einen unbeschreiblichen Nacht in Bens Wohnung zurück, und dann weiter, zu unserer leidenschaftlichen Begegnung in seiner Garderobe. Das waren Momente, in denen Ben all seine Schüchternheit abgestreift und ich mich ihm vollkommen, in purer Leidenschaft, hingegeben hatte. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine solche körperliche Erfüllung erfahren wie mit ihm. Und, ganz ehrlich, nie zuvor war mir eine Niederlage so willkommen gewesen wie diese, an dem Morgen in seiner Garderobe.
    Auch damals waren meine Gefühle so verworren gewesen, so … widersinnig.
    Mit Alberta hatte ich nach unserem Gespräch an Weihnachten nur noch einmal über Ben gesprochen. »Du willste immer nock nix versuke?«, fragte sie an einem Tag Ende Januar, nach der finalen Pressekonferenz. »Nein!«, erwiderte ich äußerlich entschieden; innerlich jedoch war ich ein Häufchen Elend. »Mein Entschluss steht!«, beharrte ich dennoch.
    Alberta stürmte gestenreich, mit einem lautstarken »Iste Verschwendung von die Nature!« aus dem Raum und schnitt das Thema
Ben
mir gegenüber nie wieder an. Das wird sich heute Abend, nach diesem Theaterbesuch, natürlich ändern, wenn ich ein Hühnchen mit ihr rupfen werde. Nein, eher einen Truthahn!
    Allerdings … nun, als ich sehe, wie Ben diese Rothaarige küsst und sich mir dabei fast die Fußnägel hochrollen, so sehr ist mir der Anblick zuwider, muss ich gestehen, dass Albertas Wortwahl – wenn auch gewohnt theatralisch – den Nagel auf den Kopf trifft. Es
ist
eine Verschwendung der Natur. Ben wäre längst Vater, hätte es das Schicksal besser mit ihm gemeint. Unsere Kinder wären im gleichen Alter. Mehr als nur einmal habe ich mich gefragt, wie sein Kind aussehen würde. Und dieser Gedanke führte jedes Mal wieder zu dem unmittelbar nächsten, nämlich dem, wie
unser
Kind wohl aussehen würde. Wie Ben als Vater wäre, kann ich mir sehr gut vorstellen. Er wäre fantastisch!
    Gott, all das sind Gedanken, die ich glaubte, längst überwunden zu haben. Ich fahre mir über die Stirn, versuche sie wegzuwischen. Doch sie bleiben.
    In der Pause bleibe ich einfach sitzen und wechsle nicht ein Wort mit Alberta, die ihren Platz verlässt und nach einer Viertelstunde wieder einnimmt. Ihr reicht vermutlich die Tatsache, dass ich die Pause nicht zur Flucht genutzt habe, als Signal, das Richtige getan zu haben. Dennoch, ich fühle mich hintergangen.
    Ich tauche für eine weitere Stunde in die Welt des einsamen Pianisten und in die meiner verdrängten Sehnsüchte ab, dann beenden Standing Ovations und schallender Applaus die Premiere. Die Damen erhalten Blumen.
Anstandsgemüse
, denke ich und muss dabei unwillkürlich an Bens süße Geste zurückdenken, als er zu der Erstausstrahlung von
›Das Leben in meinem Sinn‹
sogar Josie eine Rose mitgebracht hatte. Eine rosafarbene.
    Der Vorhang fällt. Ich bin innerlich vollkommen aufgewühlt. Der schwere Samt wird noch einige Male hochgezogen, und die Darsteller verbeugen sich. Ben sieht glücklich aus. Er schenkt dem Publikum sein umwerfendes Lachen. Sein Blick wird jedoch etwas schüchterner, als die Saalbeleuchtung angeht und die Masse der Zuschauer für ihn sichtbar macht.
    Dann schließt sich der Vorhang ein letztes Mal. Ich fühle mich noch nicht bereit zu gehen. Ich will Ben noch einmal sehen.
Bitte!
    Also bleibe ich weiter stehen und klatsche so kräftig, dass meine Hände bald schon schmerzen. Aber Ben zeigt sich nicht noch einmal.
    Es ist vorbei!
    Langsam verhallt der rhythmische Applaus, die ersten Zuschauer wenden sich zum Gehen. Ich selbst

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