Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
nicht so recht, was sie von dieser Darbietung halten sollen. Vermutlich fragen sie sich, ob das eine neumodische Form der Zugabe ist.
Alberta kümmert sich jedenfalls nicht im Geringsten darum, was um sie herum geschieht. Ihr italienisches Temperament geht gerade vollkommen mit ihr durch und fordert endlich das ersehnte ›Happy End‹ dieser Geschichte.
Unserer
Geschichte.
Halb in ihrer Muttersprache, halb in der dieses Landes flucht sie vor sich hin, packt mich an den Schultern und schüttelt mich, als wolle sie mich zur Besinnung bringen. Sarah beschimpft sie als »dumme Angste’ase, die verpasste all die schone Dinge von die kurze Lebe, nur wegene eine einzige schlechte Erfahrunge.«
»Iste dumme – eh! Pazza!«, ruft sie aufgebracht aus.
Wie zwei kleine Schulkinder, die etwas ausgefressen haben und nun vor der versammelten Klasse einen Tadel erteilt bekommen, stehen Sarah und ich auf der großen Treppe und treten mit gesenktem Blick von einem Fuß auf den anderen.
Langsam begreifen auch die letzten Zuschauer, dass die Szene, die sich hier unmittelbar vor ihrer Nase abspielt, wohl doch nicht zu dem Stück gehört. Ich höre Bruchstücke ihres Flüsterns.
»Das ist doch Sarah Pace«, oder »Sind das nicht die beiden aus dieser Serie mit dem Schutzengel?« sind Sätze, die nun von den Wänden und der hohen Decke widerhallen. Immer lauter, immer häufiger. Ein erstes Blitzlicht flackert auf.
Oh nein, bitte nicht!
»Ja, verdammt, Alberta hat recht!«, meldet sich nun auch noch Randy zu Wort. »Und soll ich euch mal etwas verraten? Wir alle sind dieser Meinung. Ihr gehört zusammen! Darum haben wir dieses Treffen arrangiert.«
Ich sehe entsetzt zu ihm auf. Randy hält meinem Blick trotzig stand. Anders als Marc und Maggie, die ihre Köpfe schnell senken, als ich mich zu ihnen umdrehe. Mein Blick bleibt auf meiner Schwester haften. »Du auch?«, frage ich ungläubig.
Caro nickt. »Keiner von uns hat es geschafft, die Sache zwischen euch zu verdrängen, geschweige denn zu vergessen. Ben, ich …«
Ich hebe meine Hand, blocke ihre Erklärungsversuche ab. Aber Randy schüttelt den Kopf. »Nein, hör es dir ruhig an! Ihr habt jetzt ein halbes Jahr lang versucht, eure Liebe zueinander totzuschweigen.
Vergeblich
versucht, möchte ich betonen!«
»Und das verschafft euch automatisch das Recht, euch einzumischen?«, fragt Sarah aufgebracht.
Mir fällt nur auf, dass sie nicht widerspricht.
Kann es wirklich sein, dass …
»Die Tatsache, dass wir die Menschen sind, die euch am meisten lieben, verschafft uns das Recht, Sarah!«, erwidert Randy ebenso energisch. Als wir erneut die Köpfe senken, fährt er mit milderer Stimme fort. »Wir haben euer Wiedersehen geplant, jawohl. Bitte, hasst uns dafür. Oder aber ihr begrabt euren dämlichen Stolz und nutzt die Chance.« Dann wendet er sich wieder mir zu. »Auch wenn du es nicht glaubst, einsamer Pianist, doch, du hast ein wenig Glück verdient. Du hast
sie
sehr wohl verdient und hättest nicht aufhören dürfen, um sie zu kämpfen.« Er deutet auf Sarah, zu der er sich nun auch wieder umdreht. »Und du! Er wird dich auf Händen tragen, ein Leben lang! Also hör auf, dir so viele Gedanken um jedes
›Vielleicht‹
und
›Wenn nun aber‹
zu machen, und gib ihm endlich die Chance, die er verdient.«
»Ah, uno momento! … Faste vergessene …« Alberta kramt in ihrer Handtasche und holt ein längliches Bündel Packpapier hervor. »Das solle ische dir geben unbedingte, Sarah. Von deine Pappa. Isch ’abe nichte verstandene die Sinn, aber sollte ische dir geben.«
Aus zornigen Augen funkelt Sarah Alberta an und reißt ihr das Päckchen förmlich aus der Hand. So ruckartig, dass das Papier zerreißt. Etwas Dünnes, Dunkles fällt heraus und rollt einige Stufen hinab. Wie ein Pfeil schießt Jack, der sich seinen Weg zu mir erkämpft hatte, hinterher und apportiert es. Schwanzwedelnd bleibt er vor mir stehen. Ich bücke mich und nehme den dünnen Stock aus dem Maul meines Hundes. Verdutzt schaue ich zu Sarah und sehe, dass sie einen zweiten, ähnlichen Stock aus dem Packpapier zieht.
Offensichtlich ist es ein Symbol, dessen Bedeutung ich nur nicht erkenne, denn Sarahs Augen füllen sich augenblicklich mit Tränen.
»Oh Gott«, haucht sie. Nur einen Moment bevor ich spüre, dass sie innerlich wankt. Ihre Atmung geht zu schnell und zu flach, und mit einem Mal wirkt sie absolut hilflos. Ich gehe einen weiteren Schritt auf sie zu.
Randy und Alberta treten sofort zur
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