Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
Sie schüttelt ihren hängenden Kopf. »Nein! Konnte es nischt. In diese Monate vor die ’Ockzeit, Pino ’ate nur nock geredet von Kinder. Bambini, bambini … bin isch einfack gefahre. Hatte Geld genug und diese Greencarta, die ische dann ’abe alleine genutzt, ohne Pino nackkomme zu lasse, um damit zu arbeite in Amerika.«
»Bei deinem Cousin«, sage ich, noch immer geschockt.
»Si! Da Mario!«
»Aber … wusste Pino denn nicht, wo du bist?«
»Vielleickt, ja! Aber ’atte er nix ge’abt Adresse von Mario und auck keine Geld. Und meine Eltern ware beide schon tot. Niemand wusste, wo isch war ’ingegange. Er wusst nur – Amerika. Und er konnte nix folge, weil keine Carta ’atte und wir nix ware ver’eiratet.«
»Und du hast ihm nicht einmal erklärt, warum?«, hake ich nach. Ich kann das alles noch immer nicht begreifen.
»Dock!«, sagt Alberta. »’Abe geschriebe eine lange Brief fur die Abschied. Darin ’abe alles erklärt! Und ’abe nie wieder ge’orte von Pino eine einzige Wort.«
»Wie denn auch, wenn er nicht einmal wusste, wo du warst?«, entgegne ich entsetzt. »Vielleicht … hätte er auf Kinder verzichtet, wenn du es ihm nur erklärt hättest. Oder ihr hättet welche adoptieren können. Aber so …«
Alberta nickt. »Si! Ware großte Fehler von meine Lebe. ’Abe ische nie wieder eine Mann gefunde wie meine Pino.«
»Hast du denn nie versucht, wieder Kontakt zu ihm aufzunehmen?«, frage ich.
»Certo, ’abe besukte einmal unsere alte Dorf! Ware aber zu spät. Pino ’ate nix mehr gelebt. Eine Nakbarin ’ate mir erzählt, sie ’abene damals Policia gerufe, weil wochenlang nix mehr gesehe Pino. Sie kamen in Wohnung … ware leer, aber alle Sacke nock da. Sie ware sischer, Pino iste ertrunke. Er iste immer zu weit geschwomme in Meer.« Alberta sucht meinen Blick und sieht mich fast flehend an. »Dasse ist passiert nur wenige Monate nach meine Abreise. ’Abe es erfahre erst viele Jahre später.«
Erschrocken realisiere ich, was sie da gerade gesagt hat. »Denkst du, Pino hat sich das Leben ge…« Ich schaffe es nicht, meinen Satz zu beenden. Alberta zuckt mit den Schultern und lässt den Kopf hängen.
»Oh, Berta«, flüstere ich voller Mitleid. Sicher, sie hat einen großen Fehler gemacht, aber vermutlich ahnte sie damals nicht, dass sie aufgrund dieser Entscheidung den Rest ihres Lebens in Sehnsucht nach ihm verbringen würde. Abgesehen von den tiefen Schuldgefühlen, die zweifellos an ihr zehren. Und mit einem Mal wird mir klar, warum sie ausgerechnet jetzt mit der Wahrheit rausrückt.
»Macke nicht dieselbe Fehler wie isch, Sarah!«, bittet sie im selben Moment. »Isch ’abe mir immer gefragte, wie unsere Lebe gegange wäre, wenn ische Pino gegebe ’ätte eine Chance. Und Ben liebte disch, Sarah! So wie misch ’at geliebt meine Pino. Von ganze ’Erze!«
Kurz nach diesem Gespräch geht Alberta zurück ins Haus. Die Arme ist komplett durchgefroren. Ich bleibe allein auf meiner Bank zurück und versuche vergebens zu verarbeiten, was sie mir gerade erzählt hat.
Die Anwesenheit meines Vaters bemerke ich erst, als seine Stimme dicht hinter mir ertönt. »Komm Kleines, hilf mir die Pferde in den Stall zu bringen. Es wird zu feucht hier draußen, und Nora ist jetzt schon ein altes Mädchen. Sie verträgt die Nachtfeuchte nicht mehr so gut.«
Ich nicke und stelle meine Tasse neben mir auf der kleinen Holzbank ab, bevor ich mich erhebe. Ich nehme eines der Halfter, die über dem Zaun bereithängen, und lege es Aramis, dem jungen Araber-Hengst, an.
Schweigend führen wir die Pferde zu den Stallungen. Dort nehmen wir die Decken von ihren Rücken. Mein Dad ersetzt Noras durch einen leichteren Überwurf, während ich Aramis’ Mähne striegele.
Die Bewegungen und Abläufe sind tief in mir verankert und sitzen bis heute perfekt.
»Warum bist du so unglücklich, Sarah?« Sorge steht meinem Vater ins Gesicht geschrieben. Ich sehe ihn über den Rücken des Hengstes hinweg an. Tränen steigen in mir empor, ich kann nichts dagegen tun. Krampfhaft versuche ich, sie wieder herunterzuschlucken, aber ich scheitere; in dünnen Bächen rinnen sie meine Wangen entlang.
»Du hast uns doch gesagt, alles wäre in Ordnung. Mit Daniel ist alles geklärt, nicht wahr? Ihr versteht euch doch gut. Und Josie macht einen glücklichen Eindruck, finde ich. Was ist also los mit dir, Kind?«
»Es geht ja gar nicht um Dan, Daddy!« Ich schluchze verzweifelt.
Nun atmet er tief durch. Es klingt beinahe
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