Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
erleichtert. Und als ich zu ihm aufblicke …. lächelt er.
»Lachst du mich aus?«, frage ich empört.
»Blödsinn! Ich freue mich nur, dass du anscheinend endlich bereit bist, Sarah.«
Er geht um die beiden Pferde herum und schließt mich in seine Arme. »Löckchen, weißt du noch, was eure Mutter dir und deinen Brüdern damals erklärt hat, als sie eure ständigen Streitereien leid war?«
Ich brauche nur einen Moment, um dem Gedankengang meines Vaters folgen zu können. »Die Stöckchen, meinst du? Ja, ich erinnere mich sehr gut.«
Rob und ich hatten uns an diesem Tag vor nahezu zwanzig Jahren wieder einmal um irgendeine Nichtigkeit gestritten. An sich war das nichts Ungewöhnliches in einem Haus mit vier Kindern. Die Toleranzgrenze unserer Eltern war entsprechend hoch. Sie griffen nicht häufig ein, doch dieses Mal uferte der Streit aus. Als ich bereits am Boden lag und Rob, der über mir kniete, plötzlich vor Schmerzen aufschrie, weil ich ihn in den Oberarm gebissen hatte, ging meine Mutter dazwischen. Ian und Georgie standen neben uns. Sie hatten uns angefeuert. Immer den, der gerade oben lag.
Nachdem uns unsere Mutter auseinandergezogen und ausgeschimpft hatte, schickte sie uns alle los, wir sollten jeder einen Zweig suchen. Etwa so dick wie ihr Daumen sollten sie sein, erklärte sie und begab sich ebenfalls auf die Suche nach einem derartigen Stock. Als wir zurückkamen, beugte sie sich zu Ian vor und reichte ihm ihren Zweig.
»Zerbrich ihn, Liebling«, verlangte sie, und der dreijährige Knirps zerknackte das Holz ohne Probleme. Mächtig stolz auf sich und seine Leistung hielt er unserer Mum beide Stücke mit den zersplitterten Enden entgegen. Die lobte Ian und sammelte daraufhin unsere vier Stöcke ein, bündelte sie und legte sie in Robs Hände. Er war mit Abstand der größte und stärkste von uns.
»Und jetzt zerbricht Robert die Stöcke«, kündigte sie an.
Rob bemühte sich so sehr, dass er bei seinem Versuch, die vier Zweige auf einmal durchzubrechen, tiefrot anlief. Doch er scheiterte, es gelang ihm einfach nicht. Ian und Georgie behaupteten, sie könnten es besser, scheiterten aber natürlich genauso wie er.
»Seht ihr? Und genauso ist das auch mit euch«, erklärte unsere Mutter. »Jeder Einzelne von euch mag schwach und zerbrechlich sein. Wenn ihr aber zusammenhaltet und euch gegenseitig unterstützt, dann kann euch so schnell niemand etwas antun, denn gemeinsam seid ihr kräftig und stark. Auch der Schwächste und Kleinste unter euch findet Schutz durch die anderen. Ihr seid Geschwister. Selbst wenn sich all eure Freunde gegen euch stellen, habt ihr immer noch einander. Deshalb möchte ich, dass ihr zusammenhaltet. Und ihr geht nicht aufeinander los und verletzt euch gegenseitig. Haben wir uns verstanden?«
Mein Dad weicht zurück und sieht mich an. »Deine Mum ist eine sehr kluge Frau, Sarah! Damals stand ich ähnlich fasziniert hinter ihr, wie ihr mit euren großen Augen vor ihr standet. Und ich musste jetzt gerade an ihr Beispiel mit den Stöckchen denken, weil du mir momentan selbst wie ein kleiner geknickter Ast vorkommst.« Er vertieft seinen liebevollen Blick. »Und ohne den Jungen zu kennen, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass Ben genau jetzt irgendwo auf der anderen Seite der Welt sitzt und sich genauso fühlt wie du. Vielleicht ist er dein Gegenstück, Sarah. Vielleicht braucht ihr einander, um nicht zu zerbrechen.« Sanft streicht er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Schatz, eure Liebesgeschichte mag dir nicht perfekt vorkommen. Du bist gerade noch dabei, die Trennung von Daniel zu verarbeiten und natürlich die Schmach, dass er sich ausgerechnet in Madelaine verliebt hat. Vermutlich hast du ein schlechtes Gewissen Josie gegenüber, dass du dich so schnell von ihrem Daddy abgewandt hast, und auch beruflich läufst du im Moment jeden Tag ins Ungewisse. Glaub mir, Sarah, ich weiß nur zu gut, wie das ist. Auch bei deiner Mutter und mir gab es nicht immer nur rosige Zeiten. Aber so ist das Leben, Kind.
Das hier ist kein Drehbuch, kein ausgefeiltes literarisches Meisterwerk. Diese Geschichte mit Daniel, Madelaine, Josie, Ben und dir, das ist das Leben. Das Schicksal gibt dir nur sehr selten ein Zeichen zur Entscheidungshilfe. Ich kann dir nicht sagen, ob Ben wirklich der Richtige ist. Ich weiß nur, dass du Josie keinen Gefallen tust, indem du sie vor dem Leben versteckst, Sarah!«
Ich sehe ihn schweigend an, dann schmiege ich den Kopf an seine Schulter. In seinen
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