Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Neobooks - Das Leben in meinem Sinn

Titel: Neobooks - Das Leben in meinem Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Ernst
Vom Netzwerk:
Jacke zwar – in Paris scheint es schon recht kalt zu sein –, aber dennoch klar und deutlich erkennbar. Auf diesen Aufnahmen sah man das Gesicht der Schauspielerin besser. Ich kannte sie aus einem Liebesfilm, den ich mit Shirley angesehen hatte.
    Diese Frau hat Daniel Sarah vorgezogen?
    Natürlich war Madelaine hübsch, doch ich bezweifelte stark, dass sie Sarah das Wasser reichen konnte. Ich kopierte den Text und die vier Bilder und verkabelte den Laptop mit meinem alten Tintendrucker. Während das Gerät neben mir ratterte, stützte ich meine Stirn in die Hände und schloss die Augen.
    Ich stellte mir Sarah vor, wie sie genau in diesem Moment in ihrem Bett lag und schlief. So, wie sie nur wenige Wochen zuvor auf meinem Schoß geschlafen hatte. So, wie es sein sollte: tief und ruhig, ohne Kummer.
    Als das Rattern des Druckers verstummte, faltete ich die Papiere und verließ schweren Herzens mein Appartement – schon wieder.  
    Gedankenverloren kraule ich Jacks Ohren. Unter anderen Umständen könnte ich den frühen Morgen hier draußen durchaus genießen. Die Luft ist kühl und klar und schmeckt noch salziger als sonst. Normalerweise liebe ich es, Zeuge eines friedlich beginnenden Tages wie diesem zu werden, doch heute bin ich wie betäubt. Die Stille erscheint mir trügerisch, die Kälte hingegen sehr passend.
    Mein Wagen steht direkt vor dem großen Tor, das zu Sarahs Anwesen führt. Das weiße Haus wirkt noch lebloser als sonst.
    Dann, plötzlich, ertönt ein weit entferntes, dennoch unverkennbares Scheppern und zerhackt die Stille. Mein altes Fahrrad klang genauso, als ich früher die Zeitung austrug. Schon schießt der Junge um die Ecke und holt zum Wurf aus. In einem gut bemessenen Bogen fliegt die Morgenpost weit über das Tor hinweg und landet mitten auf der langen Einfahrt.
    Ich richte meinen Blick zurück auf die kleine Uhr, atme noch einmal tief durch und
›tick‹
, schon ist es sechs Uhr.
    Der Motor meines alten Mercedes keucht und rödelt ein wenig, bevor er endlich anspringt, was Jack erwachen lässt. Ich bedeute ihm, sich auf den Beifahrersitz zu setzen, schaffe es im vierten Versuch, mich durchzusetzen, und fahre dann langsam zu der Klingel am Torpfeiler vor. Eine blinkende Videokamera verfolgt mich. Jede Ecke des Anwesens ist videoüberwacht. Zögerlich betätige ich den kleinen Knopf der Freisprechanlage … nichts.
    Noch einmal … nichts.
    Dann, ein
›Klick‹
, gefolgt von einem seltsamen Rauschen.
    »’Allo, wer isse da?«
    Ich atme auf – erleichtert, dass sie es ist.
    »Alberta, hallo, ich bin es, Ben … Ben Todd. Es tut mir leid, so früh zu stören, aber ich muss … ähm, mit Ihnen reden. Kann ich reinkommen? … Bitte!«
    »Si, certo. Uno momento«, erwidert Alberta. Sie klingt verschlafen und verfällt in ihre Muttersprache. Nur einen Augenblick später blinken die beiden Leuchten auf den Pfosten des Tores gelb auf. Langsam öffnen sich die Flügel und lassen mich ein.
    Ich fahre die Einfahrt entlang, stoppe den Wagen auf halbem Wege und steige aus, um die Morgenzeitung aufzuheben. Als ich die Folie aufreiße, entrollt sich das Papier und gibt den Blick auf ein weiteres von Christophers Fotos frei. Die riesige Schlagzeile darüber lautet: ›Wenige Monate vor ihrer Hochzeit: Bricht Daniel wirklich Sarahs Herz?‹
    Ja, genau das tut er
, antworte ich in Gedanken.
    In diesem Moment erscheint Alberta in der Tür. Ich beeile mich, zurück in meinen Wagen zu steigen und die letzten zwanzig Meter zu ihr zu fahren.
    »Isse alles in Ordenunge, Signore Todde?«, fragt sie mit besorgter Miene, sobald ich ausgestiegen bin.
    Ich schlucke schwer und schüttele den Kopf. »Wo ist Sarah, Alberta?«
    Die dunklen Augen der rundlichen Frau verengen sich in Sorge. Sie tut mir leid, wie sie hier vor mir steht – in ihrem türkisfarbenen Morgenmantel, die Haare noch vom Schlaf zerdrückt – und sich fragt, was wohl passiert ist, dass ich um diese Uhrzeit aufkreuze und so ein Gesicht ziehe.
    »Sarah isse oben und schläfte. Signore Todde, bitte, was isse los? Sie mussene mir sagen!«
    Ich zögere noch kurz, doch dann strecke ich meinen Arm aus und reiche Alberta schweigend die Zeitung.
    Die gutmütige Nanny kneift ihre Augen noch enger zusammen. Vermutlich ist sie leicht weitsichtig. Dann erkennt sie offensichtlich das Motiv des Titelbildes und die lautlose Bewegung ihres Mundes lässt mich wissen, dass sie auch die Schlagzeile liest. Erschrocken, mit weit geöffnetem Mund, sieht sie zu mir auf.

Weitere Kostenlose Bücher