Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
rauschenden Feste. Feiern konnte dieses hohlköpfige Weib ausrichten wie kein anderes, und ich ...« Sie hielt inne, sah in die schweigende Runde und hatte aufgrund aufwallender Erinnerungen den Faden verloren. Zweimal öffnete sie den Mund, und zweimal schloss sie ihn wieder.
Einige Priesterinnen sahen zu Boden, um ihr Lächeln zu verstecken, andere sahen ihre Königin erwartungsvoll an.
»Wir sprachen vom Prinzen, von diesem einen, der angeblich noch lebt«, half Martha trocken aus. Sie wusste, dass Ayala Nemedala gehasst hatte, seit diese die Art und Weise der Fortpflanzung der Nebelfrau als unmenschlichen Akt bezeichnet hatte. Zwar hatte die Großkönigin seinerzeit gleichzeitig ihre Bewunderung darüber ausgedrückt, dass Ayala es über sich brachte, sich von wildfremden Männern besteigen zu lassen, aber die Nebelkönigin hatte vor Wut geschäumt.
Jetzt strahlte sie allerdings wieder ihre übliche Kühle aus.
»Ach ja! Dieser Prinz! Heute müsste er ... dreiundzwanzig sein, auf dem Bild also höchstens acht. Fünfzehn Jahre dürften sein Aussehen verändert haben, also prägt euch vor allem die ungewöhnlich grünen Augen ein! ... Kalila, wir müssten in unserer Erinnerungskammer auch eine Kiste mit Gegenständen aus der da’Kandar-Festung haben. Hol sie uns! Vielleicht haben wir Glück. Wenn wir ein Spielzeug oder ein Kleidungsstück von dem Bengel hätten, könnten wir ihn vielleicht aufspüren.«
Die Priesterin huschte in den Nebenraum, in dem sortiert und beschriftet persönliche Dinge nahezu aller wichtigen Personen zu genau dem Zweck lagerten, vielleicht einmal Verbindung mit ihnen aufnehmen zu können.
Zwischen den zurückgebliebenen Priesterinnen begann sofort ein Streitgespräch darüber, ob ein Spielzeug nach so langer Zeit überhaupt noch Anhaftungen des Besitzers haben könnte. Ein Kleidungsstück wäre sicher besser geeignet, allerdings dürfte es nicht gewaschen sein. Es war immer schwierig, nur mit Hilfe eines Gegenstands zu einer Person eine Verbindung aufzubauen. Mit so lang nicht benutzten Gegenständen erschien es vielen nahezu aussichtslos.
Priesterin Hylia beteiligte sich nicht an dem Gespräch, sondern sah die Königin an. »Ich versteh nicht, warum Caitlin dem Fürsten nichts vom Prinzen erzählen darf. Der ist doch ohne Bedeutung für uns. Ich dachte, dir wäre am Weisen der Berge gelegen, der unsere kostbaren Pergamente übersetzen kann.«
Ayala nahm eine weitere Traube, zerkaute sie genussvoll und lächelte ihre begabte Lieblingspriesterin an. »Der Blondschopf, meine Liebe, dürfte der Schlüssel zur Zukunft sein. Die Freien Reiche bauen aufgrund der Prophezeiung auf ihn, Camora muss ihn aus demselben Grund vernichten. Mein Hauptaugenmerk gilt dem Weisen, der seine wichtige Aufgabe allerdings kaum freiwillig für Übersetzungsarbeiten unterbrechen würde. Ist der Prinz jedoch in unseren Händen, werden sowohl Darius als auch Camora eher bereit sein, mir den Gelehrten im Tausch gegen ihn auszuleihen. Sollte er von Darius kommen, wird er schon allein deswegen möglichst schnell arbeiten, um anschließend die Prophezeiung erfüllen zu können. Käme er von Camora, wird er aus lauter Dankbarkeit ohnehin alles für uns tun. Unser aller Schicksal scheint untrennbar mit dem Schicksal des Prinzen verbunden zu sein, und in unseren Händen dürfte er vorläufig am besten aufgehoben sein.«
Hylia nickte bedächtig und betrachtete das Bild der Herrscherfamilie noch einmal genauer. Der jüngste Prinz, der etwas abseits stand, sah brav und niedlich aus, mit seinen hellblonden Locken und den großen, dunkelgrünen Augen, aber er wirkte nicht erhaben wie seine Eltern und Geschwister, sondern eher verloren. Aber Maler hatten ja oft ...
»Es kann einfach nicht sein, Ayala!«, unterbrach Martha ihre Gedankengänge. »Camoras Wölfe haben in jener Nacht jeden Winkel, jede Truhe und jedes Fass durchstöbert. Es kann kein Leben mehr in der Festung gegeben haben.«
»Doch! Wenn ich Caitlins Traum richtig deute, hielt sich der kleine Prinz am einzigen Ort versteckt, der in jener Nacht völlig sicher war: auf dem Scheiterhaufen!«
Allgemeines Keuchen folgte dieser Aussage, und alle starrten die Königin an.
»Du beliebst zu scherzen! Wie sollte er das überlebt haben?«, würgte Martha endlich hervor.
Die Herrin der Nebelinsel zwinkerte ihr zu. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Wir werden ihn fragen, wenn wir ihn haben. Lasst uns nun um den Beistand unserer Ahnfrau bitten! Jede Hilfe ist
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